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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Port.
    Jack war überzeugt, daß in Montana ebensowenig wie in Kalifornien bei jedem Todesfall eine Autopsie durchgeführt wurde, besonders dann nicht, wenn es sich bei dem Verstorbenen um einen Mann in Eduardo Fernandez' Alter handelte und man von einer natürlichen Todesursache ausgehen konnte. Man hätte den alten Mann nur unter besonderen Umständen aufgeschnitten, etwa, wenn sichtbare Traumata auf die Möglichkeit eines Todes durch Fremdeinwirkung hinweisen.
    »Aber Sie haben gesagt, der Leichenbeschauer hätte nichts gefunden, von dem schwachen Herz mal abgesehen. Jedenfalls keine Verletzungen oder so.«
    Der Anwalt betrachtete die schimmernde Oberfläche des Ports in seinem Glas. »Eds Leiche wurde auf der Schwelle zwischen Küche und hinterer Veranda gefunden«, sagte er. »Er lag auf der rechten Seite, in der Türöffnung, und umklammerte mit beiden Händen eine Schrotflinte.«
    »Aha. Das ist verdächtig. Ein ausreichender Grund, um eine Autopsie zu rechtfertigen. Oder wollte er vielleicht nur auf die Jagd gehen?«
    »War keine Jagdzeit.«
    »Wollen Sie mir allen Ernstes erzählen, daß Wildern hier unbekannt ist, daß hier niemals jemand außerhalb der Jagdzeit auf seinem eigenen Grund und Boden auf die Pirsch geht?«
    Der Anwalt schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Aber Ed war kein Jäger. Ist nie einer gewesen.«
    »Wissen Sie das genau?«
    »Ja. Stan Quartermass war der Jäger, und Ed hat die Gewehre nur geerbt. Und noch etwas ist seltsam - nicht nur in der Kammer steckte eine Patrone, er hatte auch eine in den Lauf gesteckt. Kein Jäger, der noch bei Verstand ist, würde so herumlaufen. Er stolpert und fällt und schießt sich den Kopf ab.«
    »Und es ist auch nicht logisch, eine geladene Waffe im Haus zu haben.«
    »Außer«, sagte Paul, »es bestand eine unmittelbare Bedrohung.«
    »Sie meinen, ein Einbrecher oder Landstreicher.«
    »Vielleicht. Obwohl die hier in der Gegend seltener als Hackfleisch sind.«
    »Deuten Spuren auf einen Einbruch hin? Wurde das Haus durchwühlt?«
    »Nein. Nichts dergleichen.«
    »Wer hat die Leiche gefunden?«
    »Travis Potter, der Tierarzt von Eagle's Roost. Womit wir bei einer weiteren Seltsamkeit wären. Am zehnten Juni, mehr als drei Wochen vor seinem Tod, hat Ed ihm ein paar tote Waschbären gebracht und ihn gebeten, sie zu untersuchen.«
    Der Anwalt erzählte Jack in etwa so viel über die Waschbären, wie Ed dem Tierarzt erzählt hatte, und berichtete dann, was Potter herausgefunden hatte.
    »Eine Gehirnschwellung?« fragte Jack unbehaglich.
    »Aber kein Zeichen einer Infektion oder Krankheit«, versicherte Paul ihm. »Travis hat Ed gebeten, auf andere Tiere zu achten, die sich seltsam benehmen. Dann...als sie am siebzehnten Juni noch einmal miteinander sprachen, hatte er das Gefühl, daß Ed mehr wußte, es ihm aber nicht verraten wollte.«
    »Warum, zum Teufel, sollte er Potter etwas verschweigen? Fernandez hat Potter doch überhaupt erst auf die Sache gebracht.«
    Der Anwalt zuckte die Achseln. »Auf jeden Fall war Potter am Morgen des sechsten Juni noch immer neugierig und fuhr deshalb zur Quarterrnass-Ranch, um noch einmal mit Ed zu sprechen - und fand statt dessen seine Leiche. Der Leichenbeschauer stellte fest, daß Ed schon mindestens seit vierundzwanzig, wahrscheinlich aber höchstens seit sechsunddreißig Stunden tot war.«
    Jack schritt an der Wand mit den Fotos von den Pferden und dann an einer weiteren mit Regalen entlang und wieder zurück und drehte langsam das Glas Portwein in seinen Händen. »Und was vermuten Sie nun ? Daß Fernandez irgendein Tier beobachtet hat, das sich wirklich seltsam benahm und etwas getan hat, das ihn veranlaßte, seine Schrotflinte zu laden?«
    »Vielleicht.«
    »Könnte er hinaus gegangen sein, um dieses Tier zu erschießen, weil es die Tollwut hatte oder sich in irgendeiner anderen Hinsicht verrückt benahm?«
    »Ja, das ist uns auch in den Sinn gekommen. Und vielleicht war er so aufgeregt, hat sich so in Rage gearbeitet, daß dadurch der Herzanfall ausgelöst wurde.«
    Am Fenster des Arbeitszimmers sah Jack zu den Lichtern der Bungalows der Cowboys hinaus, die die tiefe Nacht nicht zurückdrängen konnten. Er trank den letzten Schluck Portwein.
    »Aus allem, was Sie gesagt haben, schließe ich, daß Fernandez kein leicht erregbarer Mann war, kein Hysteriker.«
    »Ganz im Gegenteil. Ed war in etwa so leicht erregbar wie ein Baumstumpf.«
    »Was hat er also gesehen«, sagte Jack und wandte sich vom Fenster ab, »das

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