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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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je sterben oder alt werden«, sagte Toby und fuhr damit fort, die Welt zu beschreiben, die er geschaffen hätte, »damit der Welpe immer ein Welpe bleiben kann, und es würde nichts mehr geben, was die Welt überschwemmen könnte, und dann müßte nichts mehr etwas anderes töten.« Das war natürlich das Paradies, das es angeblich einmal gegeben hatte. »Und ich würde überhaupt keine Bienen oder Spinnen oder Küchenschaben oder Schlangen machen«, sagte er und verzog vor Abscheu das Gesicht. »Die haben doch überhaupt keinen Sinn. Gott muß an diesem Tag wirklich 'ne unheimliche Stimmung gehabt haben.« Heather lachte. Sie liebte den Jungen über alles. »Nein, wirklich«, beharrte Toby und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Fernsehgerät. Er ähnelte Jack so sehr. Er hatte Jacks wunderschöne graublaue Augen und sein offenes, argloses Gesicht. Jacks Nase. Aber er hatte ihr blondes Haar, und er war ziemlich klein für sein Alter, und so kam er vielleicht mehr auf ihren Körpertyp hinaus als auf den seines Vaters. Jack war groß und kräftig gebaut; Heather war einssechzig groß und schlank. Toby war offensichtlich ihrer beider Sohn, und manchmal, wie in diesem Augenblick, kam ihr seine Existenz wie ein Wunder vor. Er war das lebende Symbol ihrer Liebe für Jack und Jacks Liebe für sie, und wenn der Tod der Preis für das Wunder der Zeugung war, dann war das Geschäft, das sie im Garten Eden gemacht hatten, vielleicht doch nicht so einseitig, wie es manchmal den Anschein hatte. Im Fernsehen jagte Kater Sylvester den Kanarienvogel Tweetie, doch im Gegensatz zum wirklichen Leben zeigte der winzige Vogel der fauchenden Katze so richtig, wo es langging. Das Telefon klingelte. Heather legte ihr Buch auf die Sessellehne, warf die Decke beiseite und stand auf. Toby hatte das Sorbet aufgegessen, und sie schnappte die leere Schüssel von seinem Schoß und nahm sie mit in die Küche. Das Telefon hing neben dem Kühlschrank an der Wand. Sie stellte das Schälchen auf die Küchenzeile und nahm den Hörer ab.
    »Hallo?«
    »Heather?«
    »Am Apparat.«
    »Hier ist Lyle Crawford.«
    Crawford war der Police Captain von Jacks Abteilung, sein direkter Vorgesetzter. Vielleicht lag es daran, daß Crawford noch nie zuvor bei ihnen zu Hause angerufen hatte, vielleicht war es etwas an seinem Tonfall, vielleicht auch nur der Instinkt einer Polizistenfrau, aber sie wußte sofort, daß etwas Schreckliches passiert war. Ihr Herz begann zu rasen, und einen Augenblick lang bekam sie keine Luft. Dann atmete sie plötzlich ganz flach und schnell und stieß mit jedem Atemzug ein und dasselbe Wort aus: »Nein, nein, nein, nein.«
    Crawford sagte etwas, aber Heather konnte ihm einfach nicht zuhören, als wäre das, was auch immer Jack zugestoßen war, ihm nicht wirklich passiert, solange sie sich weigerte, die häßlichen Tatsachen in Worte gefaßt aufzunehmen. Jemand klopfte gegen die Hintertür. Sie drehte sich um. Durch das Fenster in der Tür sah sie einen Mann in Uniform, von der Regen tropfte, Louie Silverman, einen Kollegen aus Jacks Abteilung, ein guter Freund seit acht, neun Jahren, vielleicht noch länger. Louie mit dem Gesicht wie aus Gummi und dem widerspenstigen roten Haar. Weil er ein Freund war, war er zur Hintertür gekommen, statt vorn zu klingeln, so war es nicht so formell, nicht so verdammt kalt und entsetzlich formell, nur ein Freund an der Hintertür, o Gott, nur ein Freund an der Hintertür, der irgendeine Nachricht brachte. Louie sagte ihren Namen. Vom Glas gedämpft. So verloren, wie er ihren Namen sagte.
    »Warten Sie, warten Sie«, sagte sie zu Lyle Crawford, und sie nahm den Hörer vom Ohr und drückte ihn gegen ihre Brust. Sie schloß auch die Augen, damit sie nicht das Gesicht des armen Louie sehen mußte, das sich gegen das Fenster in der Tür drückte. So grau, sein Gesicht, so abgespannt und grau. Er konnte Jack ebenfalls gut leiden. Armer Louie. Sie nagte an ihrer Unterlippe, hielt die Augen fest geschlossen und drückte das Telefon mit beiden Händen gegen ihre Brust, suchte nach der Kraft, die sie brauchen würde, betete um diese Kraft. Sie hörte, wie sich in der Hintertür ein Schlüssel drehte. Louie wußte, wo sie ihren Ersatzschlüssel auf der Veranda versteckt hatten. Die Tür öffnete sich. Er kam herein, und das Geräusch des Regens schwoll hinter ihm an. »Heather«, sagte er. Das Geräusch des Regens. Der Regen. Das kalte, gnadenlose Geräusch des Regens.

VIERTES KAPITEL
    Der Morgenhimmel

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