Wintermond
Kotflügeln der beiden Fahrzeuge stehen, wartete und lauschte. Das einzige Licht, das kränkliche, gelbe Glühen von Straßenlampen, fiel durch mehrere eckige Fenster von jeweils fünfzehn Zentimeter Durchmesser hoch oben in der Doppelgaragentür. Die tiefen Schatten schienen es nicht wahrnehmen und sich einfach nicht zurückziehen zu wollen. Da. Ein Flüstern draußen. Leise Schritte auf dem Weg zur Hintertür. Dann das verräterische Zischen, auf das sie gewartet hatte. Mistkerle. Heather ging schnell zwischen den Wagen zur hinteren Garagentür. Das Schloß ließ sich von innen durch das Drehen des Riegels öffnen. Sie drehte ihn langsam und schob den Bolzen ohne das typische Klicken zurück, das entstand, wenn man die Tür auf normale Weise öffnete. Sie drückte die Klinke hinab, zog die Tür vorsichtig nach innen auf und trat auf den Gang hinter dem Haus. Die Mainacht war mild. Der Vollmond wurde auf seinem Weg gen Westen größtenteils von Wolken verdeckt. Sie handelte verantwortungslos. Sie tat dies nicht, um Toby zu schützen. Wenn überhaupt, brachte sie ihn in größere Gefahr. Sie ging zu weit. Hatte die Kontrolle verloren. Sie wußte es, kam aber nicht dagegen an. Sie hatte genug. Konnte es nicht mehr ertragen. Konnte jetzt nicht aufhören. Zu ihrer Rechten lag die überdachte Veranda, davor der Patio. Der Hinterhof wurde nur stückweise von dem spärlichen Mondschein erhellt, der durch die aufgerissene Wolkendecke fiel. Große Eukalyptus-, kleinere Benzoesträuche und noch niedrigere Büsche wurden vom Silber des Mondes scheckig gefärbt. Heather war auf der westlichen Seite des Hauses. Jetzt wandte sie sich nach links. An der Ecke blieb sie stehen und lauschte. Da kein Wind ging, konnte sie das bösartige Zischen deutlich wahrnehmen, ein Geräusch, das ihre Wut nur noch anstachelte. Gemurmelte Gesprächsfetzen. Worte konnte sie nicht verstehen. Verstohlene Schritte, die hinter das Haus eilten. Ein leises, unterdrücktes Lachen, fast ein Kichern. Ihr Spielchen mußte ihnen einen wahnsinnigen Spaß machen. Anhand der sich schnell nähernden Schritte schätzte Heather ab, wann die Person um die Ecke biegen würde. Sie hatte vor, ihr einen fürchterlichen Schrecken einzujagen, und trat ihr genau im richtigen Moment in den Weg. Überrascht stellte sie fest, daß es sich um einen Jungen handelte, der größer war als sie. Sie hatte damit gerechnet, daß sie zehn, elf Jahre alt waren, höchstens zwölf. Der Eindringling stieß ein schwaches »Ahl« aus. Da sie älter als erwartet waren, würde es ihr schwerer fallen, ihnen etwas Anstand einzubleuen. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Wenn sie Schwäche zeigte, würden sie sie angreifen. Und dann...
Sie ging weiter, prallte mit ihm zusammen und stieß ihn zwei Meter zurück gegen die mit Efeu bedeckte Mauer aus Betonplatten, welche die südliche Grundstücksgrenze markierte. Die Farbdose flog aus seiner Hand und schepperte auf den Bürgersteig. Der Aufprall trieb ihm die Luft aus den Lungen. Sein Mund klaffte auf, und er rang nach Atem. Schritte. Der zweite. Er lief auf sie zu. Als sie sich eng gegen den ersten Jungen drückte, sah sie, daß er sechzehn oder siebzehn Jahre alt war, vielleicht noch etwas älter. Auf jeden Fall alt genug, um es besser zu wissen. Sie rammte das rechte Knie zwischen seine gespreizten Beine und wandte sich von ihm ab, als er keuchend und würgend auf das Blumenbeet vor der Mauer fiel. Der zweite Junge näherte sich schnell. Er sah ihre Waffe nicht, und ihr blieb keine Zeit, um ihn mit einer Warnung aufzuhalten. Sie trat auf ihn zu, statt sich abzuwenden, wirbelte auf dem linken Fuß herum und trat ihm mit dem rechten in den Schritt. Da sie sich auf ihn zu bewegt hatte, war es ein harter Tritt. Sie erwischte ihn nicht mit den Zehen, sondern mit dem Knöchel und dem Oberteil des Spanns. Er taumelte an ihr vorbei, prallte auf den Bürgersteig und rollte gegen den ersten Jungen, während er sich ebenfalls würgend übergab. Ein dritter Junge kam auf dem Bürgersteig aus der Richtung des Hauses auf sie zu, blieb aber fünf Meter vor ihr rutschend stehen und wollte zurückweichen.
»Keine Bewegung«, sagte sie. »Ich bin bewaffnet.« Obwohl sie den Korth hob und mit beiden Händen hielt, sprach sie ganz leise, und ihre ruhige Beherrschung ließ den Befehl bedrohlicher klingen, als hätte sie ihn laut gerufen. Er blieb stehen, doch vielleicht konnte er den Revolver im Dunkeln nicht sehen. Seine Körpersprache deutete an, daß er noch
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