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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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aus, daß sie in einer Kleinstadt im Mittelwesten statt in Los Angeles hätte liegen können. Niemand stellte auf dem Rasen Unfug an. Auch hinter dem Haus drückte sich keiner herum. Heather gelangte allmählich zur Auffassung, daß das verdächtige Geräusch doch Teil eines Alptraums gewesen war. Sie schlief in letzter Zeit nicht mehr besonders gut und hatte heftige Alpträume. Meistens drehten sie sich um die Tankstelle der Arkadians, obwohl sie nur einmal daran vorbeigefahren war, am Tag nach dem Schußwechsel. Die Träume waren opernhafte Spektakel mit Kugeln und Blut und Feuer, in denen Jack manchmal bei lebendigem Leib verbrannte, sie und Toby während der Schießerei oftmals anwesend waren, und dann wurde einer von ihnen oder sie beide wurden mit Jack zusammen niedergeschossen, oder sie verbrannten jämmerlich, und manchmal kniete der gut gekleidete Mann in dem Armani-Anzug neben ihrem von Kugeln durchsiebten Leib, drückte den Mund auf ihre Verletzungen und trank ihr Blut. Der Mörder war oft blind, mit leeren Augenhöhlen, in denen Flammen wüteten. Sein Lächeln enthüllte Zähne, die so scharf wie die einer Viper waren, und einmal hatte er zu ihr gesagt: »Ich nehme Toby mit mir in die Hölle - ich lege das kleine Arschloch an eine Leine und benutze es als Blindenhund.«
    Wenn die Alpträume, an die sie sich erinnerte, schon so schlimm waren...wie fürchterlich mußten dann diejenigen sein, die sie aus dem Gedächtnis verdrängt hatte? Als sie einmal durchs Wohnzimmer gegangen, zum Türbogen zurückgekehrt und durch die Diele zum Eßzimmer gegangen war, kam sie zum Schluß, daß die Phantasie ihr einen Streich gespielt hatte. Es bestand keine unmittelbare Gefahr. Sie hielt die Hand mit dem Korth-Revolver nicht mehr ausgestreckt vor sich, sondern an der Seite. Die Mündung deutete auf den Boden, und ihr Finger lag nicht mehr auf dem Abzug selbst, sondern auf dem Sicherungshebel. Der Anblick einer Person, die draußen schnell an einem Fenster des Eßzimmers vorbeihuschte, versetzte sie wieder in Alarmbereitschaft. Zwar waren die Vorhänge nicht zugezogen, wohl aber die weißen Gardinen darunter. Der Eindringling wurde von einer Straßenlampe erhellt und warf einen Schatten, der das Glas durchdrang und sich auf den Falten des lichtdurchlässigen Chiffons kräuselte. Er verschwand schnell wieder, wie der Schatten eines Nachtvogels, aber Heather hatte nicht den geringsten Zweifel, daß es sich um den eines Menschen gehandelt hatte. Sie eilte in die Küche. Die Bodenfliesen waren unter ihren nackten Füßen kalt. An der Wand neben der Verbindungstür zur Garage befand sich eine weitere Schalttafel der Alarmanlage. Sie gab den Deaktivierungscode ein. Da Jack noch für unbestimmte Zeit zur Rekonvaleszenz im Krankenhaus liegen würde, sie selbst arbeitslos und ihre finanzielle Zukunft unsicher war, hatte sie lange gezögert, ihre kostbaren Ersparnisse für diese Anlage auszugeben. Früher hatte sie immer angenommen, solche Sicherheitssysteme wären für herrschaftliche Wohnhäuser in Bel Air und Beverly Hills bestimmt und nicht für Mittelklassefamilien, wie sie eine waren. Dann hatte sie erfahren, daß sich bereits sechs der sechzehn Häuser in ihrem Block auf High Tech-Schutzmaßnahmen verließen. Nun veränderten sich die grünen Leuchtbuchstaben auf dem Ablesestreifen von GESICHERT zu BEREIT ZUM SCHÄRFEN. Sie hätte Alarm auslösen und damit die Polizei rufen können. Doch wenn sie so vorging, würden die Mistkerle draußen davonlaufen. Wenn dann endlich der Streifenwagen kam, würde niemand mehr dort sein, den die Beamten festnehmen konnten. Sie glaubte ziemlich sicher zu wissen, um was für Leute es sich handelte - wenn auch nicht, um wen - und was sie vorhatten. Sie wollte sie überraschen und notfalls mit der Waffe zwingen, bis zum Eintreffen der Polizei zu warten. Als sie so leise wie möglich den federlosen Schließriegel und dann die Tür öffnete NICHT BEREIT ZUM SCHÄRFEN, warnte das System - und in die Garage trat, wußte sie, daß sie die Beherrschung verloren hatte. Eigentlich hätte die Furcht sie in ihren Bann schlagen müssen. Ja, sie hatte Angst, aber nicht deshalb schlug ihr Herz so schnell und heftig. Der Zorn trieb sie an. Sie war wütend, weil sie wiederholt schikaniert worden war, und entschlossen, es ihren Peinigern ungeachtet des Risikos heimzuzahlen. Der Zementboden der Garage war noch kälter als die Küchenfliesen. Sie umrundete das Heck des ersten Wagens, blieb dann zwischen den

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