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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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zitterte. Sie hatte nicht gewußt, daß so etwas Dunkles in ihr war. Sie spürte, daß sich ein Kloß in ihrem Hals bildete, und bemühte sich, ihn unten zu halten. Allem Anschein nach hatte sie den drei Graffiti-Schmierern noch mehr Angst eingejagt als sich selbst. Ihre Augen leuchteten im Mondschein hell vor Furcht.
    »Wir...wir waren schon mal hier«, keuchte der Junge, den sie getreten hatte. »Wie oft?«
    »Z-zweimal.«
    Das Haus war zweimal heimgesucht worden, einmal Ende März, einmal Mitte April.
    Sie sah wütend zu ihnen hinab. »Woher kommt ihr?« fragte sie.
    »Von hier«, sagte der Junge, den sie nicht verletzt hatte.
    »Nicht aus diesem Viertel, erzählt mir nichts.«
    »L. A.«, sagte er.
    »Die Stadt ist groß«, erwiderte sie.
    »Die Hills.«
    »Beverly Hills?«
    »Ja.«
    »Alle drei?«
    »Ja.«
    »Erzählt mir keinen Quatscht«
    »Es stimmt, wir kommen aus Beverly Hills - warum sollte das nicht stimmen?«
    Der Junge, dem sie nichts getan hatte, legte die Hände auf die Schläfen, als wären ihm gerade Gewissensbisse gekommen, obwohl wesentlich wahrscheinlicher war, daß er gerade Kopfschmerzen bekommen hatte. Das Mondlicht funkelte auf seiner Armbanduhr und den abgeschrägten Kanten des Metallbandes.
    »Was ist das für eine Uhr?« fragte sie.
    »Was?«
    »Was für eine Marke?«
    »Eine Rolex«, sagte er.
    Das hatte sie auch vermutet, aber trotzdem brachte sie unwillkürlich ihr Erstaunen zum Ausdruck:
    »Eine Rolex?«
    »Ich lüge nicht. Ich habe sie zu Weihnachten geschenkt bekommen.«
    »Mein Gott.«
    Er wollte sie abnehmen. »Hier, Sie können sie haben.«
    »Laß das«, sagte sie verächtlich.
    »Nein, wirklich.«
    »Von wem hast du sie bekommen?«
    »Von meinen Eltern. Es ist die goldene.« Er hatte sie abgenommen und hielt sie ihr hin, bot sie ihr an. »Keine Diamanten, aber echt Gold, die Uhr und das Armband.«
    »Was kostet die«, fragte sie ungläubig, »fünfzehntausend Eier, zwanzigtausend?«
    »So in der Art«, sagte einer der verletzten Jungen. »Es ist nicht das teuerste Modell.«
    »Sie können Sie haben«, wiederholte der Besitzer der Uhr.
    »Wie alt bist du?« fragte Heather.
    »Siebzehn.«
    »Du bist noch auf der High-School?«
    »Im letzten Jahr. Hier, nehmen Sie die Uhr.«
    »Du bist noch auf der High-School und bekommst eine Uhr für fünfzehntausend Dollar zu Weihnachten geschenkt?«
    »Sie gehört Ihnen.«
    Sie kauerte vor dem zusammengedrängten Trio nieder, weigerte sich, den Schmerz in ihrem rechten Fuß zur Kenntnis zu nehmen und richtete den Korth-Revolver auf das Gesicht des Jungen mit der Uhr. Alle drei krochen verängstigt zurück.
    »Ich puste euch vielleicht das Gehirn raus, ihr verzogenen kleinen Scheißkerle, darauf könnt ihr euch verlassen, aber ich würde dir nicht die Uhr stehlen, und wenn sie eine Million wert wäre. Zieh sie wieder über.«
    Die goldenen Kettenglieder der Rolex klapperten, als er sie nervös über sein Handgelenk zog und an dem Verschluß herumfummelte. Sie wollte wissen, warum bei all den Privilegien und Vorteilen, die ihre Familien ihnen bieten konnten, drei Jungs aus Beverly Hills des Nachts herumschlichen und den mühsam erarbeiteten Besitz eines Polizisten entstellten, der fast bei dem Versuch erschossen worden war, genau die soziale Stabilität zu bewahren, die es ihnen ermöglichte, immer genug zu essen zu haben, ganz zu schweigen von RolexUhren. Woher kamen ihre Gemeinheit, ihre verzerrten Werte, ihr Nihilismus? Auf Armut konnten sie es nicht schieben. Auf wen oder was denn dann?
    »Gebt mir eure Portemonnaies«, sagte sie barsch. Sie fummelten sie aus ihren Hüfttaschen und hielten sie ihr hin. Sie sahen immer wieder von ihr zu dem Revolver. Die Mündung des .38ers mußte für sie wie die einer Kanone aussehen.
    »Nehmt alles Bargeld heraus, das ihr dabei habt«, sagte sie. Vielleicht war das Problem dieser Burschen darin zu suchen, daß sie in einer Zeit aufgewachsen waren, in der die Medien ständig auf sie eingeschlagen hatten, zuerst mit endlosen Prophezeiungen über den Atomkrieg und dann, nach dem Fall der Sowjetunion, mit endlosen Warnungen vor einer sich schnell nähernden Umweltkatastrophe. Vielleicht hatten die unablässig, aber elegant produzierten Schrekkensnachrichten der elektronischen Nachrichten, die die hohen Nielsen-Quoten bekamen, sie überzeugt, daß sie keine Zukunft hatten. Und schwarzen Kindern erging es noch schlechter, weil man ihnen darüber hinaus noch weismachte, daß sie es nicht schaffen würden, daß

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