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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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vorgeworfen, in der Jack als Mann am Abzug fungierte. Es war völlig verrückt. Um Gottes willen, der Bursche war nur ein Filmemacher gewesen und nicht etwa der Präsident der Vereinigten Staaten. Politiker, Konzernchefs, militärische Führer und Polizeibeamte zitterten nicht vor Angst und planten einen Mord, weil sie befürchteten, daß ein Regisseur aus Hollywood zu einem Kreuzzug aufrufen und sie in einem Film attackieren würde. Verdammt, wären sie so empfindlich, würde kaum noch ein Regisseurleben. Und diese Leute glaubten tatsächlich, daß Jack auf der Tankstelle seinen eigenen Partner und drei andere Personen erschossen und sich dann mit drei Kugeln selbst verletzt hatte, und das alles am hellichten Tag, während es jederzeit Zeugen hätte geben können. Glaubten sie etwa, er hätte sich gewaltigen Schmerzen und einer mühsamen Rehabilitation ausgesetzt, nur damit seine Geschichte über Anson Olivers Tod glaubwürdiger klang? Die Antwort lautete natürlich ja. Sie glaubten diesen Unsinn wirklich. Unter einem anderen Plastikfensterchen desselben Portemonnaies fand Heather einen weiteren Beweis. Einen weiteren Sticker, ebenfalls rund und mit einem Durchmesser von fünf Zentimetern. Schwarzer Untergrund, rote Buchstaben, drei Namen untereinander: OSWALD, CHAPMAN, MCGARVEY? Ekel überkam sie. Einen problembehafteten Regisseur, der drei mit Schwächen behaftete Filme geschaffen hatte, mit John F. Kennedy (Oswalds Opfer) oder auch nur mit John Lennon (Mark David Chapmans Opfer) zu vergleichen, war empörend. Aber Jack mit zwei schändlichen Mördern zu vergleichen...das war ungeheuerlich. Ihr erster Gedanke war, morgen früh einen Anwalt anzurufen, herauszufinden, wer diesen Schund herstellte, und ihn auf jeden Cent zu verklagen, den er besaß. Aber als sie den abscheulichen Sticker anstarrte, kam ihr der entmutigende Gedanke, daß der Vertreiber dieses Drecks sich durch die Verwendung des Fragezeichens geschützt hatte.
    OSWALD, CHAPMAN, MCGARVEY?
    Spekulationen waren keine Vorwürfe. Das Fragezeichen ließ die Gedankenkette zur Spekulation werden und schützte den Hersteller damit wahrscheinlich gegen eine Anklage wegen Verleumdung oder übler Nachrede. Plötzlich hatte sie wieder genug Energie, die ihren Zorn nähren konnte. Sie sammelte die Portemonnaies ein und warf sie gemeinsam mit den Stickern in die unterste Schublade des Nachttischchens. Dann knallte sie die Schublade zu - und hoffte, daß sie Toby nicht geweckt hatte. Sie lebten in einer Zeit, in der sehr viele Leute lieber eine völlig absurde Verschwörungstheorie hinnehmen als sich die Mühe machen wollten, die Fakten zu untersuchen und eine einfache, eindeutige Wahrheit zu akzeptieren. Viele Bürger schienen das wirkliche Leben mit Romanen zu verwechseln und suchten eifrig nach byzantinischen Ränken und Intrigen verrückter Bösewichte, die den Büchern Robert Ludlums entsprungen zu sein schienen. Aber die Wirklichkeit war fast immer weit weniger dramatisch und unermeßlich weniger grell. Es handelte sich wahrscheinlich um einen Schutzmechanismus, um eine Möglichkeit, wie man Ordnung - und gewissermaßen auch Sinn - in eine High Tech-Welt bringen konnte, in der das Tempo der sozialen und technologischen Veränderungen die Menschen verwirrte und erschreckte. Schutzmechanismus hin oder her, es war krank und widerwärtig. Und wenn sie schon den Begriff krank benutzte...sie hatte gerade zwei dieser Jungen verletzt. Einmal davon abgesehen, daß sie es verdient hatten. Sie hatte noch nie zuvor jemanden verletzt. Nun, da die Hitze des Augenblicks sich verflüchtigt hatte, empfand sie...nicht gerade Reue, denn sie hatten nur bekommen, was sie verdient hatten...wohl aber Bedauern, daß es notwendig gewesen war. Sie kam sich beschmutzt vor. Ihre Begeisterung war mit ihrem Adrenalinspiegel gesunken. Sie untersuchte ihren rechten Fuß. Er schwoll allmählich an, doch der Schmerz war erträglich.
    »Großer Gott, Heather«, ermahnte sie sich, »für wen hältst du dich für einen der Ninja Turtles?« Sie holte zwei Excedrin aus dem Medizinschrank im Badezimmer und spülte sie mit lauwarmem Wasser hinunter. Dann kehrte sie ins Schlafzimmer zurück und schaltete das Licht aus. Sie hatte keine Angst vor der Dunkelheit. Aber sie fürchtete sich davor, was die Menschen einander in der Dunkelheit oder am hellichten Tag antun konnten.

ZEHNTES KAPITEL
    Der zehnte Juni war kein Tag, an dem man in der Hütte hocken blieb. Der Himmel war von einem Delfter Blau, die

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