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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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waren Nachttiere. Am hellichten Tag ließen sie sich eigentlich nur selten sehen. Da in den Ställen keine Pferde mehr untergebracht und die Mülltonnen gut gesichert waren, hatte Eduardo es schon lange aufgegeben, den Waschbären nachzusetzen - außer, wenn sie des Nachts auf das Dach stiegen. Wenn sie dort oben spielten oder Mäuse jagten, bekam man kein Auge mehr zu. Er ging zum Kopf der Verandatreppe und nutzte die ungewohnte Gelegenheit, eins der Kerlchen in strahlendem Sonnenschein und aus so geringer Entfernung zu studieren. Der Waschbär bewegte den Kopf und hielt den Rancher im Blick. Die Natur hatte die Schlingel mit einem außergewöhnlich schönen Fell ausgestattet und sie zu ihrem tragischen Leidwesen damit wertvoll für die menschliche Rasse gemacht, die unaufhörlich mit der narzistischen Suche nach Materialien beschäftigt war, mit denen sie sich bedecken und schmücken konnte. Dieser hier hatte einen besonders buschigen, prächtigen, glänzenden Schwanz mit schwarzen Ringen.
    »Was hast du an einem sonnigen Nachmittag draußen zu suchen?« fragte Eduardo.
    Die anthrazitschwarzen Augen des Tieres betrachteten ihn mit fast spürbarer Neugier.
    »Du mußt 'ne Persönlichkeitskrise haben und dich für ein Eichhörnchen oder so halten.«
    Mit hektischen Bewegungen der Pfoten putzte der Waschbär sich vielleicht eine halbe Minute lang das Fell im Gesicht, erstarrte dann wieder und betrachtete Eduardo eindringlich. Wilde Tiere - sogar so aggressive Spezies wie Waschbären - nahmen mit Menschen nur selten Blickkontakt auf, wie dieser Bursche es gerade tat. Normalerweise hielten sie Menschen nur verstohlen im Auge, aus den Winkeln oder mit schnellen Blicken. Einige behaupteten, dieses Zögern, einen direkten Blick länger als für ein paar Sekunden zu erwidern, sei ein Eingeständnis der menschlichen Überlegenheit; das Tier erniedrige sich damit, wie ein Bürgerlicher vor einem König. Andere hingegen behaupteten, daß Tiere - unschuldige Geschöpfe Gottes - in den Augen der Menschen den Makel der Sünde sähen und sich für die Menschheit schämten. Eduardo hatte seine eigene Theorie: Tiere hatten erkannt, daß Menschen die bösartigsten und erbarmungslosesten Wesen überhaupt waren, gewalttätig und unvorhersehbar, und vermieden daher einen direkten Blickkontakt, sozusagen aus Furcht und Klugheit. Bis auf diesen Waschbären. Er schien in der Gegenwart eines Menschen nicht die geringste Furcht und Demut zu spüren.
    »Zumindest nicht bei diesem traurigen alten Knacker, was?«
    Der Waschbär beobachtete ihn einfach. Schließlich unterlag das Interesse für das Tier seinem Durst, und Eduardo ging ins Haus, um sich noch ein Bier zu holen. Die Türscharniere quietschten, als er das Fliegengitter aufzog - er hatte es erst vor zwei Wochen, als es immer wärmer wurde angebracht -, und sie quietschten nochmals, als er es hinter sich zuzog. Er rechnete damit, daß das unbekannte Geräusch den Waschbären aufschrecken und in die Flucht jagen würde, doch als er durch das Fliegengitter zurückschaute, sah er, daß der kleine Kerl vielleicht einen Meter näher zu der Veranda gekommen, nun genau hinter der Tür wartete und ihn weiterhin im Blick hielt.
    »Komischer kleiner Kauz«, sagte er.
    Er ging zur Küche am Ende der Diele und sah, da er die Armbanduhr nicht angelegt hatte, zuerst zu der Uhr über dem Herd auf. Zwanzig nach drei. Er hatte angenehm einen in der Krone und war in der Stimmung, den Schwips bis zur Schlafenszeit auszudehnen. Aber er wollte sich auf keinen Fall schwer einen antrinken. Er entschloß sich, eine Stunde früher als üblich zu Abend zu essen, um sechs statt um sieben, um etwas in den Bauch zu bekommen. Vielleicht würde er dann ein Buch mit zu Bett nehmen und früh das Licht ausmachen. Das Warten ging ihm allmählich auf die Nerven. Er nahm ein Corona aus dem Kühlschrank. Die Flasche hatte zwar einen Drehverschluß, aber er hatte einen Anflug von Arthritis in den Fingern. Der Flaschenöffner lag auf der Arbeitsfläche neben der Spüle. Als er die Flasche köpfte, sah er zufällig aus dem Fenster über dem Abfluß - und erblickte auf dem Hinterhof den Waschbären. Er wartete drei oder vier Meter von der hinteren Veranda entfernt. Er saß auf den Hinterläufen, hatte die Vorderpfoten an die Brust gehoben und hielt den Kopf hoch. Da der Hof sich zu den Bäumen im Westen hob, konnte der Waschbär bequem über das Verandageländer zum Küchenfenster sehen. Das Tier beobachtete ihn. Eduardo ging

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