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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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zumindest ein freundlich gesonnenes Wesen. Aber es hatte sich vor über fünf Wochen in ein Versteck zurückgezogen, und seine Geheimniskrämerei schien nicht auf freundliche Absichten zu deuten. Er versuchte, nicht xenophobisch zu reagieren. Doch der Instinkt verriet ihm daß er ein Scharmützel mit etwas gehabt hatte, das nicht nur anders als Menschen war, sondern ihnen auch eine angeborene Feindseligkeit entgegenbrachte. Obwohl seine Aufmerksamkeit sich zumeist auf den Teil des Waldes unter dem Haus, im Osten, konzentrierte, auf die Stelle, an der die Schwelle sich geöffnet hatte, wagte Eduardo sich auch nicht mehr gern in den Wald im Norden und Westen des Hauses, denn auf diesen drei Seiten der Ranch dehnte die Wildnis der Nadelbäume sich praktisch in einem Stück aus und wurde nur von den Feldern im Süden unterbrochen. Was auch immer in den Wald unterhalb des Hauses eingedrungen war, es konnte sich im Schutz der Bäume problemlos in jeden anderen Teil des Nadelwaldes schleichen. Er hielt es für möglich, daß der Reisende sich nicht unbedingt ein Versteck in der Nähe gesucht, sondern einen Kreis zu den Kiefern auf den Ausläufern der Hügel im Westen geschlagen hatte und von dort aus vielleicht zu den Bergen weitergezogen war. Vielleicht hatte es sich schon vor geraumer Zeit auf einen hohen Hügel, in eine abgelegene Schlucht oder Höhle in den fernen Ausläufern der Rocky Mountains zurückgezogen, viele Meilen von der Quartermass-Ranch entfernt. Aber er nahm nicht an, daß dem tatsächlich so war. Wenn er manchmal am Waldrand spazieren ging und die Schatten unter den Bäumen betrachtete, nach irgend etwas Außergewöhnlichem Ausschau hielt, nahm er eine... eine Präsenz wahr.
    So einfach war das. So unerklärlich. Eine Präsenz. Bei einem dieser Spaziergänge sah oder hörte er zwar nichts Ungewöhnliches, wußte aber auf einmal, daß er nicht allein war. Also wartete er. Früher oder später würde sich etwas tun. An den Tagen, an denen er ungeduldig wurde, rief er sich zweierlei in Erinnerung zurück. Zum einen war er das Warten gewohnt; seit Margarites Tod vor drei Jahren hatte er nichts anderes getan, als auf die Zeit zu warten, da er sich wieder zu ihr gesellen konnte. Zum anderen würde Eduardo sich, wenn tatsächlich etwas geschah, wenn der Reisende sich endlich entschloß, sich irgendwie zu offenbaren, wahrscheinlich wünschen, er wäre weiterhin in seinem Versteck geblieben. Er griff nach der leeren Flasche und erhob sich aus dem Schaukelstuhl, um sich ein neues Bier zu holen und sah den Waschbären. Er stand auf dem Hof, vielleicht zwei, drei Meter von der Veranda entfernt, und sah ihn an. Eduardo hatte ihn zuvor nicht bemerkt, weil er sich auf die fernen Bäume - jene, die einmal geleuchtet hatten - am Rand der Wiese konzentriert hatte. In den Wäldern und auf den Feldern wimmelte es vor wildlebenden Tieren. Die häufigen Sichtungen von Eichhörnchen, Kaninchen, Füchsen, Opossums, Rehen, Dickhornschafen und anderen Tieren stellten einen der Reize des Lebens in solch ländlicher Zurückgezogenheit dar. Waschbären, die vielleicht abenteuerlustigsten und interessantesten aller hier lebenden Tiere, waren hochintelligent und galten als niedlich und süß. Doch ihre Intelligenz und ihre aggressive Nahrungssuche machten sie zu einem Ärgernis, und ihre Gewandtheit ihrer fast handähnlichen Pfoten erleichterte es ihnen, beträchtlichen Schaden anzurichten. Als - vor Stanley Quartermass' Tod - noch Pferde in den Ställen gehalten wurden, hatten die Waschbären, obwohl sie eigentlich Fleischfresser waren, einen endlosen Erfindungsgeist an den Tag gelegt, um an Äpfel und anderes Viehfutter heranzukommen. Auch nachdem er die Mülleimer mit waschbärsicheren Deckeln ausgerüstet hatte, bliesen diese maskierten Banditen - genau wie zuvor - noch immer zu gelegentlichen Überfällen auf die Behälter, als hätten sie in ihren Höhlen gehockt, wochenlang über die Lage nachgedacht und dann eine neue Strategie ausgearbeitet, die sie nun ausprobieren wollten. Bei dem Tier auf dem Hof handelte es sich um ein fettes, ausgewachsenes Exemplar mit einem leuchtenden Fell, das etwas dünner als der übliche Winterpelz war. Es hockte auf den Hinterläufen, hatte die Vorderpfoten vor die Brust gehoben, den Kopf hochgereckt und beobachtete Eduardo. Obwohl Waschbären Herdentiere waren und normalerweise zu zweit oder in Gruppen auftraten, war weder auf dem Hof noch am Rand der Wiese ein anderes Tier zu sehen. Und sie

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