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Wintermond (German Edition)

Wintermond (German Edition)

Titel: Wintermond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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ganze Gesicht. Seine Hand ließ er dann über seinen Augen ruhen und spähte lediglich zwischen seinen Fingern hindurch auf das Bild in seiner anderen Hand.
    „Noch 2 Tage“, stand in gedruckter Schrift auf dem einzig freien Stück des Din-A-4-Papiers, direkt unter einem Bild, das den übrigen Papierbogen ausfüllte. Das Bild war ein Foto. Ein Foto von Ben und Alex, wie sie es in den Duschkabinen des Poolzimmers miteinander trieben.
    „Fuck!“, fluchte Alex und ließ seine Hand wieder aus seinem Gesicht gleiten.
    Irgendeiner der Typen, die dem Spanier angehörten, musste ihn beobachtet, sich im Garten der Villa befunden und das Foto durch die Scheiben des Wintergartens gemacht haben. Die Kerle schienen ihm fast rund um die Uhr nachzuspionieren und aufzulauern. Deshalb war er vermutlich auch einem von ihnen im Christiansen’s begegnet. Das war kein Zufall gewesen, sondern pure Berechnung.
    Wieder blickte Alex sich um, dieses Mal etwas panischer. Es war ein schreckliches Gefühl, zu wissen, dass man zu jedem möglichen Zeitpunkt beobachtet werden könnte - vielleicht auch jetzt, in diesem Moment.
    Alex biss sich auf die Unterlippe und warf einen erneuten Blick auf das Foto. Die Aufnahme hatte nicht die beste Qualität, doch sie reichte, um die wesentlichen Details erkennen und die beiden Personen identifizieren zu können.
    Unzählige Gedanken begannen durch seinen Kopf zu jagen. Jo hätte den Umschlag finden können und was dann passiert wäre, mochte er sich gar nicht ausmalen. Seine Vorwürfe aus der Diskussion vorhin waren nicht erfunden. Jo konnte Schwule wirklich nicht leiden und hatte diese Abneigung höchstwahrscheinlich auf seinen Sohn übertragen. Alex fühlte sich miserabel, denn er wusste, dass dieses Bild eine versteckte Drohung war. Die Typen wollten ihm zeigen, dass sie ihn beobachteten und auch, dass sie mehr von seinem Privatleben wussten, als ihm lieb war. Auch wollten sie mit dem Foto vermutlich verdeutlichen, dass sie von Ben und dessen Bedeutung in Alex’ Leben wussten und es ihnen dieses Mal ernst mit der Geldübergabe in zwei Tagen war.
    Alex musste stark schlucken. Der Schneeschauer wurde stärker und der kalte Wind peitschte ihm ins Gesicht. Dennoch fror er nicht. Eigentlich spürte er gar nichts mehr. Er fühlte sich schlecht und hilflos. Für ihn war das Foto noch wesentlich mehr als diese deutliche Drohung, denn für ihn hatte es auch persönliche Hintergründe. Das Bild machte ihm noch einmal unmissverständlich klar, was zwischen ihm und Ben passiert war. Es zeigte ihn mit einem anderen Mann. Es zeigte ihn, schwul, und damit verdeutlichte es die nicht länger zu leugnende Wahrheit. Für Alex war dies wie ein Schlag ins Gesicht. Bis eben hatte er das Geschehene nur sehr vage und verschwommen in Erinnerung gehabt. Doch jetzt hielt er einen Beweis dafür in den Händen, dass er mit Ben Sex gehabt hatte. Es war die Realität, die sich durch seine Netzhaut bohrte wie ein Projektil durch ein Stück Fleisch. Diese Realität fühlte sich fremd und eigenartig an. Alex betrachtete sich auf dem Foto, fühlte sich aber keineswegs mit seinem Abbild verbunden. Noch immer konnte er nicht annähernd nachempfinden, was in jener Situation in ihn gefahren war. Seine Hände zitterten und seine Finger waren so angespannt, dass sie das bedruckte Papier zu zerknittern begannen. Er wollte das Bild nicht länger ansehen. Wieder machte sich Wut und Verzweiflung in ihm breit. Er holte aus und schlug es samt seiner lädierten Hand fest gegen die Karosserie seines Wagens.
    „Fuck!“, schrie er ein weiteres Mal und schlug erneut gegen seinen BMW, dieses Mal noch etwas kräftiger.
    Unter dem Verband seiner verletzten Hand begann ein brennender Schmerz entlang seiner Schnittwunden zu ziehen, als ob sie zusammen mit dem Schlag wieder aufgeplatzt wären. Seine ganze Hand wurde taub und in seinen Fingerknöcheln begann es schmerzvoll zu pochen.
    Mit einem Mal kam in ihm alles zusammen: Der Einbruch am Pinnasberg, die Schulden, der Tod seiner Mutter und seines besten Freundes, das Desinteresse seines Vaters, der Tod von Sam und nicht zuletzt Ben und die neuen Gefühle, die er diesem gegenüber entdeckt hatte.
    Er schlug ein letztes Mal zu. Dieses Mal war es nur noch der Versuch eines Kraftakts, der in nicht mehr als einer unsanften Berührung mit seinem Wagen endete. Das Foto in seinen Händen war nun völlig zerknittert. Dennoch ließ er es nicht los. Er fühlte sich erbärmlich und sackte schließlich an seinem

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