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Wintermond (German Edition)

Wintermond (German Edition)

Titel: Wintermond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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war ihm das egal. Er hatte erreicht, was er wollte und es tatsächlich geschafft, Ben aus der Villa zu ekeln. Diese Erkenntnis brachte zwei völlig unterschiedliche Gefühle mit sich: Zum einen fühlte er sich befreit, zum anderen einsam und hilflos. Doch das hatte er selbst zu verschulden.
    „Die paar Stunden werdet ihr ja wohl noch miteinander auskommen“, mischte Jo sich wieder ein. „Ihr seid doch keine Kinder mehr.“
    Alex sah Ben ein letztes Mal intensiv an, bevor er sich endgültig abwandte. „Ich brauch’ frische Luft“, sagte er trocken und drehte sich um. Dann verließ er die Küche und durchquerte den Flur. Er schritt bis zu der Kommode, die sich im Eingangsbereich befand und blieb vorerst dort stehen. Er spürte Bens Blick noch immer in seinem Rücken, obwohl er längst aus dessen Sichtweite verschwunden war. Er verharrte einen Moment lang, dann bückte er sich und zog seine Schuhe unter der Garderobe hervor. Sein Verstand wollte ihn zum Nachdenken zwingen, doch er wehrte sich mit all seiner Kraft dagegen. Er glaubte, genug nachgedacht zu haben und sich deswegen nicht länger mit dem Stand der Dinge befassen zu müssen.
    Als er sich jedoch wieder aufrichtete, glotzte ihn sein Spiegelbild herablassend an. Alex blickte zurück - irritiert und kritisch. Es kam ihm vor, als ob sein Abbild sein zweites Ich symbolisierte und ihm damit verdeutlichen wollte, wie erbärmlich er sich aufgeführt hatte. Alex fuhr sich mit den Fingern über die Lippen und schaute sich flüchtig um. Gerade so, als ob er Angst davor hatte, dass jemand anderes - zum Beispiel Jo - diese zweite Seite von ihm, die sich aktuell im großen Spiegel an der Wand zeigte, entdecken könnte. Er wurde nervös, denn er fühlte sich, als ob er seinem Spiegelbild einer Rechenschaft schuldig war. Doch er konnte sein Verhalten nicht erklären, denn er kannte die genauen Gründe dafür selbst nicht. Das, was er sicher wusste, war, dass er sich nicht auf das Schwulsein einlassen wollte und Ben deshalb ein wichtiger Faktor war, den es zu beseitigen galt.
    Nach weiteren Sekunden wandte er sich letztendlich vom Spiegel ab und griff nach seiner Jacke, die neben der von Ben an der Garderobe hing. Er warf sie sich über und schritt zur Haustür. Dann ging er nach draußen und zog die massive Tür hinter sich zu. Er musste dringend auf andere Gedanken kommen und nahm sich deshalb spontan vor, zu Sams Grab zu gehen.
    Es schneite. Einzelne Schneeflocken blieben an seiner Kleidung haften und verteilten sich auf seinen Haaren. Alex atmete tief ein. Die kühle Luft brannte in seiner Kehle. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, da er befürchtete, sonst möglicherweise ausrutschen zu können. Er wollte rechts herum um die Villa gehen, denn dieser Pfad führte in den hinteren Gartenbereich. Doch kurz bevor er sich vollständig auf diesen Weg konzentriert hatte, fiel ihm im Augenwinkel ein weißer Umschlag auf, der zwischen den Scheibenwischern seines BMWs klemmte. Irritiert blieb er stehen, zögerte noch einen Moment und schritt schließlich zielstrebig auf seinen Wagen zu. Er hatte keinen blassen Schimmer, was dieser Umschlag bedeutete. Skeptisch streckte er seinen Arm danach aus und zog den Brief in einer flinken Bewegung unter dem Scheibenwischer hervor. Er klopfte den frischen Schnee von dem Umschlag und wendete ihn daraufhin in seiner Hand. Allerdings gab es weder einen Hinweis zu dem Empfänger noch einen Absender. Alex wurde misstrauisch, denn er ahnte nichts Gutes. Möglicherweise steckten die Typen vom Pokern dahinter. Er drehte den Umschlag ein weiteres Mal und begann sich nervös umzusehen. Doch außer den Autos, die aufgrund des vielen Schnees im Schritttempo über die Elbchaussee fuhren, sah er niemanden. Behutsam klemmte er seinen Daumen hinter die Rückseite des Umschlages, an der man das Kuvert öffnen konnte. Noch immer schaute er sich suchend um, fühlte sich irgendwie beobachtet.
    In dem Umschlag befand sich etwas Zusammengefaltetes. Die Neugierde überwog letztendlich und so zog Alex das Stück Papier vollständig aus dem Inneren. Vorsichtig klappte er es auf und erschrak daraufhin so blitzartig, als ob man ihm ohne jegliche Vorwarnung den Boden unter den Füßen weggerissen hätte.
    Er begann schwerer zu atmen, schaute sich ein weiteres Mal hektisch um und rieb sich dabei nervös mit seinem Zeigefinger über die Lippen. Dann betrachtete er den Inhalt des Briefes erneut und fuhr sich daraufhin fahrig mit der flachen Hand übers

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