Wintermond (German Edition)
hinterließen.
Er dachte noch eine ganze Weile in dieser Art und Weise nach. Der zeitliche Druck in ihm wurde unterdessen immer größer. Doch dann geschah etwas Entscheidendes. Plötzlich kam ihm endlich die ersehnte Idee. Eine Idee, die ihm schon viel früher hätte kommen können. Sie war simpel, aber durchaus logisch und für Alex vermutlich die beste Lösung. Es war ein einfacher Gedanke, der Ben jedoch binnen weniger Sekunden etwas Hoffnung zurückgab und ihn mit einer Spur Erleichterung füllte.
Nun hatte er einen Plan. Dafür musste er Alex ausfindig machen oder telefonisch erreichen, um ihn endgültig von seinem Vorhaben, zur Polizei zu gehen, abzuhalten. Stattdessen würde er ihn davon überzeugen, dass es in seiner Position von großem Vorteil sein könnte, vorerst einen guten Anwalt aufzusuchen. Einen Anwalt, der sich auf derartige Verworrenheiten spezialisiert hatte. Dieser könnte Alex genauestens über eine wesentlich bessere Vorgehensweise informieren und ihn sinnvoll verteidigen, indem er sämtliche positive Aspekte des Blonden zusammentragen würde. Immerhin war es nicht Alex, der den Studenten zusammengeschlagen hatte. Zwar hatte er zugesehen, nicht geholfen und im Nachhinein niemanden informiert, doch gab es dafür ja auch eine gute Erklärung. Alex hatte zum Tatzeitpunkt viele Probleme und war zusätzlich täglich von irgendwelchen Kerlen bedroht worden. Auch für seine Teilnahme an illegalen Pokerspielen gab es ausreichend Gründe, denn er hatte in seinem bisherigen Leben bereits viel durchmachen müssen, wozu unter anderem der Tod seiner Mutter und der seines besten Freundes zählten. Erst diese heftigen Schicksalsschläge hatten ihn in eine falsche Richtung gelenkt. Das war ganz offensichtlich und musste auch für Außenstehende nachvollziehbar sein.
Ein Anwalt würde Alex sicherlich helfen können. Davon war Ben überzeugt.
Jetzt musste er seinen Plan nur noch in die Tat umsetzen. Deshalb eilte er zu seinem Handy und tastete sich hektisch in das Menü. Im Telefonbuch wählte er Alex’ Nummer aus. Er war innerlich angespannt und nervös, während er das Handy anschließend fest gegen sein Ohr presste. Er konnte ein Freizeichen hören. Seine Aufregung wurde immer größer. Nebenbei versuchte er sich schon einmal die richtigen Worte zurecht zu legen. Gespannt wartete er und lauschte den gleichmäßigen Tönen, die ihm durch das Telefon ins Ohr dröhnten. Doch Alex nahm nicht ab. Ben ließ es noch eine Weile weiter klingeln und setzte weiterhin alle Hoffnung in den Blonden. Letztendlich wurde er jedoch enttäuscht, denn Alex schien nicht abnehmen zu wollen.
Nervös biss Ben sich auf die Unterlippe und nahm das Handy wieder herunter. Er wusste nicht, ob er sich aufgrund der Tatsache, dass Alex nicht auf seinen Anruf reagierte, weitere Sorgen machen oder das Verhalten als pure Ignoranz abstempeln sollte. Vielleicht wollte der Blonde einfach nicht mit ihm sprechen. Das lag nahe, denn immerhin hatte er Ben sogar gebeten, seinen Brief erst nach einer gewissen Zeit seiner Abwesenheit zu lesen.
Ben fluchte innerlich. Es war wieder einmal typisch, dass beabsichtigte Dinge nicht so leicht funktionierten, wie man sie sich ausmalte. Sein vergeblicher Anruf führte nun dazu, dass ihm nichts anderes mehr übrig blieb, als Alex ausfindig machen zu müssen - und das so schnell wie möglich.
Also stopfte er sein Handy in seine Hosentasche, griff hastig nach seiner Jacke und dem Zimmerschlüssel und verließ schließlich das Zimmer schnellen Schrittes. Er hastete durch den Flur, lief die Treppe hinunter und blieb noch einmal an der Rezeption des Hotels stehen.
Die Brünette, die hinter dem Tresen saß und gerade damit beschäftigt war, ihre Fingernägel zu feilen, blickte skeptisch zu ihm auf. Das lag vermutlich daran, dass Ben völlig außer Atem war.
Er ignorierte ihren Blick jedoch und legte den Schlüssel ungeduldig vor ihr ab.
„Ich muss dringend weg“, sagte er und japste nach Luft.
Er wusste selbst nicht, warum er sich vor der Hotelangestellten rechtfertigte.
„Keine Ahnung, wann ich wieder da bin. Bis später!“
Die braunhaarige Frau blickte irritiert zurück und nahm den Zimmerschlüssel schließlich an sich.
„Geht es Ihnen gut?“, fragte sie dann und klang ein wenig unsicher.
Ben stützte sich am Tresen ab, beugte seinen Oberkörper etwas nach vorn und versuchte seinen Kreislauf wieder in den Griff zu bekommen.
„Ja, danke. Bis später!“, wiederholte er sich noch einmal und
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