Wintermond (German Edition)
nahm seine Hand vom Tresen.
Ihm war tatsächlich etwas schwindelig. Das musste an der ganzen Aufregung liegen.
Er wandte sich von der Rezeption ab und eilte zur Tür. Diese drückte er hastig auf und schritt nach draußen. Die ganze Zeit über hoffte er darauf, dass Alex ihn vielleicht doch zurückrufen würde. In Wahrheit glaubte er jedoch nicht an dieses kleine Wunder.
Er zog seine Jacke zu und machte sich auf den Weg zu seinem Wagen.
Noch immer hatte er keine Ahnung, wie er Alex finden sollte. Er wusste nicht, ob er direkt zu dem Quartier der Typen fahren oder sich zunächst einmal auf den Weg zur Villa machen sollte. Letzteres erschien ihm dann jedoch als bessere Möglichkeit. Die besagte Geldübergabe konnte nämlich überall stattfinden, weshalb er den Weg zum Quartier vermutlich umsonst auf sich nehmen würde. Außerdem war Alex noch nicht lange weg. Etwa eine halbe Stunde, vielleicht auch etwas länger. Es war kurz nach halb acht. Ben wusste, dass Alex, bevor er überhaupt irgendetwas anderes tun konnte, erst einmal zur Villa musste, um sich die 40.000 Euro bei seinem Vater abzuholen. Wenn Ben sich also beeilte, würde er in etwa zehn Minuten bei der Villa sein und Alex mit etwas Glück dort antreffen können. Es war nur eine Möglichkeit, aber viele andere blieben ihm nicht.
So schnell er konnte, stapfte er durch den Schnee, lief zwischendurch ein paar Schritte und wühlte nebenbei in seiner Jackentasche nach dem Autoschlüssel. Als er ihn fand, zog er ihn heraus und hielt ihn in Richtung seines Wagens, von dem er derweilen nur noch wenige Schritte entfernt war. Er öffnete ihn und eilte zur Fahrertür. Diese riss er auf, setzte sich hinter das Lenkrad und steckte den Schlüssel in die Zündung. Doch nach einem kurzen Blick nach vorn, schlug er sich gedanklich gleich mehrmals mit der flachen Hand gegen die Stirn. Der Wagen war vollkommen zugeschneit. Also stieg er wieder aus, holte einen Eiskratzer samt Besen aus dem Kofferraum und begann damit, sein Auto von dem pulvrigen Neuschnee zu befreien. Er verfluchte jede Sekunde, die er mit dieser Tätigkeit verschwendete. Deshalb fegte er nur den nötigsten Schnee von der Karosserie und kratzte das Eis nur sehr grob von der Windschutzscheibe. Nach ein paar Minuten, die ihm schier ewig vorgekommen waren, stieg er dann wieder ein. Den Eiskratzer warf er hinter sich auf die Rückbank. Er wollte keine weitere Minute mehr verlieren. Deshalb startete er den Motor an, löste die Handbremse und fädelte sich hastig aus der Parklücke. Die Straßen schienen ziemlich glatt zu sein. Der am Tag geschmolzene Schnee war über Nacht zu einer festen Eisdecke gefroren, die sich nun heimtückisch unter dem frischen Pulverschnee verbarg. Ben musste also vorsichtig sein und konnte deshalb nicht das gewünschte Tempo aufbringen, in dem er gern gefahren wäre, um schnellstmöglich zur Villa zu gelangen. Achtsam fuhr er die Straße entlang, überquerte eine Kreuzung und bog rechts in die Bahrenfelder Straße. Gleich darauf bog er noch einmal links ab.
Er konnte sich kaum auf die Straße konzentrieren. Mittlerweile zogen all die Sorgen, die er sich machte, schmerzende Folgen nach sich. Sein Kopf dröhnte und in seinen Schläfen pochte es ununterbrochen. Außerdem wurde ihm etwas übel, weshalb irgendein Reflex dafür sorgte, dass er unentwegt schlucken musste. Dennoch ließ er sich nicht von seinem Unwohlsein irritieren und hoffte noch immer inständig, Alex in der Villa zu finden, um dann ganz normal mit ihm reden zu können. Doch dafür brauchte er eine Menge Glück. Er wusste, dass, sollte Alex nicht mehr in der Villa sein, ihm letztendlich nur noch die Möglichkeit bleiben würde, abzuwarten. Doch das wollte er nicht. Er musste verhindern, dass Alex zur Polizei ging. Das war alles, was zählte.
Er krallte seine linke Hand in das Lenkrad, die andere umfasste die Schaltung. Er schweifte gedanklich immer weiter ab und wurde erst durch das Hupen eines Autos hinter sich wieder zurück in die Realität gerissen. Erschrocken zuckte er zusammen, schielte zur Ampel und sah, dass sie längst grün war. Eine entschuldigende Geste nach hinten konnte er sich sparen. Der Fahrer des Wagens würde sie sowieso nicht sehen können, denn in all der Eile hatte er völlig vergessen, auch die Heckschutzscheibe vom blickdichten Schnee zu befreien.
Schnell fuhr er wieder an und versuchte sich von nun an etwas besser auf den Straßenverkehr zu konzentrieren. Die Übelkeit in seinem Inneren wurde
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