Wintermond (German Edition)
und kurz darauf in den Magen getreten. Glücklicherweise spürte Ben kaum noch etwas von diesem Tritt, lediglich ein ziehendes Gefühl, das ihn an leichten Muskelkater erinnerte.
Wie gebannt starrte er Alex an und beobachtete, wie dieser Sam zum Hundekörbchen führte. Der Schäferhund legte sich schließlich auf das weiche Kissen und ließ sich ein wenig von Alex kraulen. Irgendwann begann der Schäferhund sich dann unter Alex’ Hand zu winden, stand einmal auf, drehte sich im Kreis und legte sich letztendlich in seine Ausgangsposition zurück. Dabei vergrub er seine Schnauze zwischen den Vorderpfoten. Alex schien mit seinem Hund draußen gewesen zu sein, weshalb Sam jetzt erschöpft und müde wirkte. Alex hockte noch einen weiteren Augenblick neben dem Körbchen, bevor er sich wortlos wieder aufrichtete und zurück zur Zimmertür ging. Vor dieser blieb er jedoch noch einmal stehen und wandte sich zu Ben um. Dieser starrte ihn noch immer missmutig an, versuchte dabei all seine Vorwürfe in seinen Augen widerzuspiegeln. Er war nicht nachtragend und auch nicht wütend, doch wollte er Alex noch etwas hinhalten und hoffte vielmehr, dass dieser sich dadurch vielleicht noch einmal in Ruhe für sein Verhalten entschuldigen würde. Die Blicke der beiden hafteten fest aneinander, als ob allein ihre Augen miteinander kommunizierten. In Alex’ Blick lag dabei etwas, das Ben nur schwer deuten konnte. Er erkannte in dem hellen Blau den schwachen Hauch eines schlechten Gewissens und eine Spur von Unsicherheit. Beides jedoch von Dominanz begleitet und mit Arroganz durchzogen.
Ben wagte es nicht, zu blinzeln oder zu schlucken. Er wollte nicht derjenige sein, der zuerst nachgab und wartete deshalb darauf, dass Alex den Blick abwandte. Sie sahen sich noch einige Sekunden derart intensiv an, bevor tatsächlich Alex sein Gesicht zur Seite neigte, sich umwandte und den Raum schließlich wieder verließ. Ben schaute dem Blonden noch lange nach, bevor er seinen Blick wieder senkte und sich zurück an seine Arbeit zu machen versuchte. Jo schien die wortlose Auseinandersetzung der beiden gar nicht mitbekommen zu haben. Zumindest ließ er sich nichts anmerken, saß lediglich vor seinem Laptop gebeugt und starrte durch seine Brillengläser auf den flimmernden Bildschirm.
Ben seufzte leise auf, lockerte seine Gesichtszüge dann wieder und legte dabei seine linke Hand auf die Tastatur, die rechte auf die Maus. Eigentlich hatte er mit dem zweiten Stockwerk des Gebäudes beginnen wollen. Dafür öffnete er nun eine neue Seite in dem dafür vorgesehenen Programm. Dann zog er seinen Collegeblock hervor und schlug diesen auf, um seine vorab gemachten Skizzen zu betrachten und sich von diesen inspirieren zu lassen. Doch so richtig wollte die Konzentration nicht in seinen Kopf zurück gelangen. Immer wieder musste er an Alex und den Kuss vom Vorabend denken. Jeglicher Idealismus schien in jenem Moment aus ihm gewichen zu sein. Normalerweise würde er solange an seinen Aufgaben weiter arbeiten, bis er diese vollendet hatte. Zusätzlich würde er vermutlich noch Vorarbeit leisten, um Jo damit zu beeindrucken. Doch in jenem Moment war ihm mit einem Mal alles - ausgenommen Alex - unwichtig. Jegliche Lust, geistige Arbeit zu leisten, war verschwunden. Letztendlich blieb er nur noch wenige Minuten vor seinem Laptop sitzen, bevor er das Programm schloss und den Bildschirm herunterklappte.
„Ich werd’ mich jetzt noch etwas an das Buch wagen, das du mir neulich gegeben hast“, erklärte er an Jo gerichtet und versuchte damit seinen vorzeitigen Arbeitsabbruch zu rechtfertigen. „Vielleicht hilft mir das ja noch etwas weiter.“
„Mach’ das!“, erwiderte Jo daraufhin und warf Ben ein flüchtiges Nicken zu, bevor er seine Brille noch einmal auf seinem Nasenrücken zurechtrückte und sich dann wieder auf die Arbeit zu konzentrieren begann.
Ben wollte seinen Laptop im Arbeitszimmer lassen und schob ihn deshalb in die Tischmitte. Dann griff er unter seinen Collegeblock und fischte das blaue Buch, das Jo ihm vor einigen Tagen gegeben hatte, darunter hervor. Er klappte den Collegeblock zu und legte ihn auf den Laptop. Schließlich blickte er noch ein letztes Mal in Jos Richtung, bevor er sich von der Couch erhob und den Raum verließ, um sich auf den Weg in den Wintergarten zu machen. Mit dem Buch in der rechten Hand durchquerte er den marmorierten Flur und schritt zur Tür, die zum Wintergarten führte, um diesen daraufhin zu betreten. Dort ging er
Weitere Kostenlose Bücher