Wintermond (German Edition)
“
Ben las die Nachricht mehrere Male und legte seine Stirn dabei skeptisch in Falten. Er versuchte in seinen Körper hinein zu horchen und dabei irgendeinen Ansatz von Kummer zu finden, doch füllte ihn lediglich eine Form von Gleichgültigkeit. Als wäre die SMS seines Exfreundes etwas Endgültiges, löschte er diese und schmiss das Handy anschließend neben sich in die Couchecke. Das Thema hatte sich vorerst für ihn erledigt. Er war froh, sich noch einmal bei Nick gemeldet zu haben und fühlte sich dadurch deutlich besser und befreiter. Nicks Antwort kam ihm dabei wirklich recht, denn im Moment hatte er andere Probleme, als sich über etwas, was sowieso keine Zukunft mehr hatte, den Kopf zu zerbrechen.
Immer noch tief in Gedanken versunken blätterte er die umgeschlagene Seite im Buch wieder zurück und versuchte sich erneut mit dem vorhin gelesenen Absatz zu beschäftigen. Schließlich schaffte er es sogar, sich zu konzentrieren. Er blendete alles um sich herum aus und begann den Text Zeile für Zeile zu lesen, betrachtete dabei immer wieder die vielen Zeichnungen, auf die sich der Inhalt weitgehend bezog.
Erst, als er erfolgreich ein paar der Seiten hinter sich gebracht hatte, lenkten seine Gedanken ihn aufs Neue ab. Daraufhin blickte er von dem Buch auf ins Leere und musste erneut an Alex denken. Wieder dachte er an den Kuss zurück und je detaillierter er sich darauf konzentrierte, umso merkwürdiger fühlte er sich. Er erinnerte sich an Alex’ Blick vor dem Kuss und genau dieses Bild jagte einen kitzelnden Schauer über seinen Rücken. Ein kribbelndes Gefühl durchflutete schwallartig seine Nervenbahnen und mit einem Mal wurde ihm eindeutig bewusst, was mit ihm passiert war. Plötzlich wurde sein Denken klarer, als ob er zuvor nur durch eine beschlagene Scheibe geschaut hätte, hinter der er zwar etwas vermutet, es aber nicht deutlich erkannt hatte. Sein Körper stieß Signale aus, die ihm vertraut und damit eindeutig identifizierbar für ihn waren. Vermutlich hatte er seine Gefühle bis zu diesem Zeitpunkt so gut verdrängt, dass er sich nie länger als wenige Minuten mit seiner Gedankenwelt auseinander gesetzt hatte und seinem Körper damit jegliche Chance, zu reagieren, verwehrt hatte. Bislang hatte er gewusst, dass Alex ihn interessierte und dessen Aussehen ihn anmachte. Doch in jenem Augenblick, in dem sein Körper die Hormone ausstieß, die ihn völlig benommen machten, wurde ihm bewusst, dass er sich tatsächlich verliebt haben musste. Er wollte nicht bloß was von Alex, hatte nicht nur irgendein sexuelles Interesse. Nein, er hatte sich tatsächlich verliebt.
Auf diese Erkenntnis hin schloss Ben seine Augen und warf seinen Kopf stöhnend in den Nacken. So etwas konnte auch nur ihm passieren. Er hatte sich nicht nur in jemand völlig Unnahbares verliebt, sondern auch noch in einen Hetero. Zusätzlich befand er sich in einer äußerst prekären Situation, da er sich mitten in einem wichtigen Praktikum befand und Alex der Sohn seines Tutors war. So konnte er dem Blonden nicht einfach aus dem Weg gehen, sondern musste ihm Tag für Tag aufs Neue begegnen. Ben konnte seine Gefühle selbst kaum nachvollziehen. Alex war ein arrogantes Arschloch, das ihn bislang fast immer wie den letzten Dreck behandelt hatte. Nur in wenigen Situationen hatte der Blonde sich nahezu menschlich verhalten und Ben für wenige Sekunden hinter seine Fassade blicken lassen.
„Scheiße!“, fluchte Ben laut und nahm seinen Kopf wieder nach vorn, wischte sich dabei unruhig mit der Hand übers Gesicht.
Er fragte sich, wie er nur so dumm gewesen sein konnte, Alex zu küssen. Damit hatte er sich verraten, noch bevor er sich selbst verstanden hatte und sich über seine Gefühle im Klaren gewesen war.
Ben blickte nach vorn. Vor ihm auf dem Tisch lag eine angebrochene Schachtel Zigaretten, daneben ein Feuerzeug. In Ben schlich ein Gefühl empor, das er eigentlich nur aus der Kindheit kannte, wenn man kurz davor war, heimlich etwas Verbotenes zu tun. Neugierig streckte er seine Hand aus und zog sich eine Zigarette aus der Packung. Vorsichtig klemmte er sich den Filter zwischen die Lippen und griff nach dem Feuerzeug. In genau diesem Moment betrat plötzlich Jo den Wintergarten. Er blickte in Bens Richtung und ging kopfschüttelnd auf den Dunkelhaarigen zu.
„Lass lieber die Finger von dem Kram!“, sagte er unter einem väterlichen Grinsen. „Das passt nämlich nicht zu dir.“
Ben konnte spüren, wie sich ein rötlicher
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