Wintermond
wieder frei.«
David zuckte unbekümmert mit den Schultern. »Gut, dann besuche ich heute Abend eben Rahel. Die Frau ist sich sicherlich bewusst, dass man für ein gutes Essen auch Opfer bringen muss.«
»Ich habe schon genug Opfer für dein gutes Essen gebracht: Gestern habe ich meinen Lieblings-Bleistiftrock der Schneiderin geschenkt, weil durch Auslassen nichts mehr zu retten war.« Obwohl sie sich dabei ein wenig mädchenhaft vorkam, zog Meta eine Schnute und ließ es zu, dass David zärtlich ihr Kinn umfasste und sie küsste. Erstaunlicherweise gelang es ihm dadurch viel besser als mit Worten, jeden Zweifel an ihrer Figur fortzuwischen.
Bevor sie den Markt verließen, schenkte David ihr noch einen Strauß aus cremefarbenen Rosen, deren kugelig-gebauschte Köpfe sich eng aneinanderschmiegten. Eines Nachts hatte er ihr erklärt, dass der Duft von Rosen für ihn den Moment markierte, in dem sein Leben mit ihr angefangen hatte. Obwohl er nicht verriet, welche Geschichte sich dahinter verbarg, mochte Meta den Gedanken, und so stellten die Rosen auch für sie mehr als nur ein romantisches Geschenk dar.
Vollbeladen und ein wenig erschöpft, bogen sie später auf eine Hauptstraße ein, aber als David Anstalten machte, den Weg zur U-Bahn einzuschlagen, zupfte Meta ihn am Arm. »Das Wetter ist heute so schön herbstlich. Warum gehen wir nicht einfach das kurze Stück zu Fuß?«, fragte sie. Dabei wunderte sie sich, dass es ihr tatsächlich schwerfiel, diesenVorschlag zu machen. David schien in ständiger Sorge um ihre Sicherheit - denn das glaubte sie langsam: Er fürchtete sich davor, dass ihr etwas passieren könnte. Selbst lief er dagegen immer allein zu Fuß. Er hegte eine erstaunliche Abneigung gegen jede Art von Fortbewegungsmittel, was ihn jedoch nicht davon abhielt, mit Meta zusammen stets die Bahn oder ein Taxi zu nehmen.
Auch jetzt zogen sich seine Augenbrauen wie auf Kommando zusammen. »Wenn wir uns nicht beeilen, wagen die Krustentiere noch einen Ausbruch.«
»Gut, dann bringen wir erst die Einkäufe nach Hause und machen dann einen Spaziergang.« Meta bemühte sich um einen lockeren Ton, als bemerke sie seine Sorge nicht. »Gleich in der Nähe gibt es auch einen Stadtpark, in den sich kaum jemand verirrt, mit riesigen alten Bäumen. Und einer der Seitenarme des Flusses läuft da durch, alles sehr verwunschen und geheimnisvoll. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich der Frost zwischen all dem verwilderten Geäst gehalten hat. Glaub mir, es wird dir gefallen.«
Ein Blick auf Davids versteinertes Gesicht reichte aus, um Metas Überschwang zu bremsen.
»Lass uns jetzt zu Fuß nach Hause gehen und noch ein bisschen frische Luft schnappen«, lenkte er ein. »Aber dann muss ich erst einmal aus diesen dreckigen Klamotten raus und brauche etwas Warmes zum Trinken. Das klingt zwar toll mit diesem Park, aber mir ist es heute etwas zu kalt für weitere Ausflüge. Außerdem bin ich ziemlich erledigt von der Arbeit.«
Obwohl Meta nichts von alldem glaubte - weder hatte sich David bislang besonders kälteempfindlich gezeigt, noch gelang es seinem anstrengenden Job, ihn seiner erstaunlichen Energie zu berauben -, nickte sie zustimmend. Etwas in Davids Augen hatte aufgeflackert, als sie den Park erwähnte. Etwas, das ihr einen Schauer über den Rücken gejagt hatte. Schweigend verließen sie den belebten Markt, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend.
David hielt die Einkäufe in der linken Hand, während er den freien Arm um Metas Taille gelegt hatte. Obwohl sie Stiefel mit hohen Absätzen trug, schlug er ein schnelles Tempo an, dem sie nur widerwillig folgte. Von der Seite warf sie ihm gelegentlich einen Blick zu, nur um feststellen zu müssen, dass Davids Wangen eingefallen wirkten, weil sein Kieferknochen unter einer enormen Anspannung stand. Bevor sie den Mut fand, nach dem Grund für die Eile zu fragen, erblickte sie am Ende der Seitenstraße die Allee, in der sich ihr Wohnhaus befand. Auch David entging nicht, dass sie kurz vor dem Ziel waren, und er schenkte Meta ein schmales Lächeln, während sich der angestrengte Zug um seine Augen langsam löste.
»Kann es sein, mein Lieber, dass du auch anderen Frauen in diesem Viertel deine Aufwartung machst und es deshalb so eilig hast, die freie Wildbahn hinter dir zu lassen? DenVerdacht habe ich schon seit längerem, weil mich die ältere Dame aus dem Haus immer mitleidig ansieht, wenn sie ihren Malteser spazieren führt.«
Wie erhofft lachte David auf, ein
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