Wintermond
sie es gegen ihre Brust, als befürchte sie, Rahel würde es ihr sonst rauben.
Rahel blickte sie verblüfft an, dann musste sie schmunzeln. »Diesem Bild haftet ein irrer Geruch an, zwar nur leicht, aber ignorieren kann man ihn nicht«, sagte sie herausfordernd. »Gehört das dazu? Ich meine, so eine Art künstlerischer Trick?«
Meta lächelte verträumt. Die Spur des markanten Duftes, den sie als Erstes an David wahrgenommen hatte, war ihr auch schon aufgefallen. »Duftet großartig, nicht wahr?Wonach riecht es deiner Meinung?«
Rahel kratze sich am Hinterkopf. »Ich weiß nicht … irgendwie … wow.« Als sie Metas eifriges Nicken sah, grinste sie. »Ich glaube, ich möchte gern ganz genau wissen, was es mit diesem geheimnisvollen Geschenk auf sich hat. Oder wohl eher mit dem Spender. Das ist das erste Mal, dass ich dich so aufgeregt sehe. Dabei verlierst du doch nicht einmal die Nerven, wenn einer von Rinzos Künstlern vor versammelter Kundschaft seine eigenen Werke bepinkelt, weil er glaubt, damit einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Wer verbirgt sich hinter diesem Bild?«
Meta hielt ertappt inne, dann erzählte sie atemlos die Geschichte, wie sie betrunken in Davids Bett gelandet und am nächsten Morgen darin aufgewacht war. Wie sie das Bild gesehen und er sie schon im nächsten Moment zum Gehen aufgefordert hatte. Als sie mit der nur vage erinnerten Taxifahrt endete, war sie trotz der kühlen Temperaturen in ihrem Büro und ihres schulterfreien Hängerchens ins Schwitzen geraten. Schau mal an, dachte sie. So verwegen und zugleich peinlich berührt habe ich mich das letzte Mal gefühlt, als ich meiner Studienfreundin Bea zwischen zwei Seminaren von einem Abenteuer mit unserem Professor erzählt habe.
Während der ganzen Zeit hatte Rahel sie mit einem Hauch von Begeisterung angeschaut und sie kein einziges Mal unterbrochen. Vermutlich hatte Meta alles ausgeplaudert, weil sie es einfach nicht gewohnt war, so viel Redezeit zugestanden zu bekommen. Normalerweise wurde man in ihren Kreisen relativ schnell mit schrillem Quietschen, Seitenhieben oder der Langeweile geschuldeten Themenwechseln unterbrochen.
»Klingt so, als hätte Karl ernsthaft Konkurrenz bekommen«, sagte Rahel nun mit einem breiten Grinsen. »Ein junger, knackiger Kerl.«
»Nein, nein, so ist das nicht«, unterbrach Meta sie in gehetztem Ton. »Das war nur Spaß. Ich meine, warum soll nur Karl gelegentlich eine Abwechslung genießen? Außerdem ist David jünger als ich, und ich glaube … Ich weiß, das klingt jetzt unmöglich, aber er lebt in eher schlichten Verhältnissen. Nicht, dass er deshalb auch schlicht oder einfach gestrickt wäre. Es ist nur so: Wenn Karl David sehen würde, würde er mich wahrscheinlich auslachen. Das wäre keine Affäre, sondern ein Witz für ihn.« Ihre eigenen Worte berührten Meta auf peinliche Weise.
Ein Schatten huschte über Rahels Gesicht, aber was auch immer ihr bei diesen Sätzen durch den Kopf ging, sie behielt es für sich. Stattdessen hob sie den Kaffeebecher an ihren Mund, um anschließend einen enttäuschten Blick hineinzuwerfen, weil er leer war. »Trotzdem ist es eine spannende Geschichte«, sagte sie nachdenklich. »Ich mag Happy Ends, da bin ich wirklich ganz altmodisch. Es ist doch sehr niedlich, dass dieser David jetzt nach über einer Woche in der Galerie auftaucht, um dir das Bild zu schenken.«
Statt einer Antwort lächelte Meta versonnen. Jetzt, da sie die Geschichte das erste Mal jemandem erzählt hatte, konnte sie ihr auch etwas Romantisches abgewinnen. Denn das Geschenk warf ein anderes Licht auf die triebgesteuerte Leidenschaft der einen Nacht. Wenn es dabei geblieben wäre, hätte sie es Rahel auch auf keinen Fall erzählt, ganz gleich, ob ihr David unentwegt durch den Kopf spukte oder nicht.
»Ja, das hat mich wirklich gerührt. Besonders, da ich nicht damit gerechnet habe, ihn überhaupt wiederzusehen. Die Verabschiedung am Morgen ist ja recht übereilt ausgefallen.«
»Wie hat er dich eigentlich gefunden? Hast du ihm erzählt, dass du in dieser Galerie arbeitest, oder ihm deine Visitenkarte dagelassen?«, fragte Rahel auf einmal in einem derart nüchternen Ton, als erkläre sie Meta das Ergebnis der monatlichen Abrechnungen.
»Nein, keine Visitenkarte.« Meta biss sich auf die Unterlippe, während ihre Finger über den Innenrahmen aus rissigem Holz wanderten. »In der Nacht hatte ich, wie gesagt, einige Blackouts. Aber ich schwöre, wir haben uns nicht wirklich viel
Weitere Kostenlose Bücher