Wintermond
bieten, zumindest glaube ich das. Ein Souvenir von meiner letzten Reise. Muss irgendwo stehen …« Sie kam mit der Pfanne zum Tisch und schob sämtliche Spiegeleier auf Davids Teller, der sie erstaunt anblickte.
»Danke. Aber was ist mit dir?«
»Ich esse das Obst«, erklärte Meta und klang dabei etwas wehmütig, was angesichts der frisch gebackenen Croissants auch nicht verwunderlich war.
»Na, komm schon«, sagte David, der gerade die halbe Ketchupflasche über die Eier kippte, um ihren angebrannten Rand zu kaschieren. »Allein zu essen macht doch keinen Spaß.«
Meta schaute gequält, dann griff sie sich ein Croissant, und als sie hineinbiss, entspannten sich ihre Gesichtszüge. Mit einem angenehmen Schweigen widmeten sie sich beide ihrem Essen, bis Meta plötzlich unruhig auf ihrem Stuhl umherzurutschen begann. David sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an, aber Meta zögerte noch einen Moment, bevor sie auf die Aufforderung einging. »Nach dem Frühstück muss ich leider gleich los - ich habe eine Verabredung mit einer Künstlerin, die ich so kurzfristig nicht absagen kann.«
David legte die Gabel auf den Teller, und es war ihm deutlich anzusehen, dass er mit einem sofortigen Rauswurf rechnete. Sogleich hob Meta beschwichtigend die Hand.
»Als ich aufgewacht bin, saß die Frau bereits im Zug, sonst hätte ich den Termin verlegt. Ich weiß, wir beide sollten uns unterhalten, und ich will mich auch gar nicht davor drücken.«
Da David immer noch nicht sonderlich überzeugt aussah, streckte sie den Arm aus und berührte seine Hand. David schien zu erstarren, dann nahm er jedoch ihre Hand in die seine und sah sie aufmerksam an.
»Schau mal«, fuhr Meta deutlich erleichtert fort. »Vielleicht ist es auch gar nicht so wild, dass ich jetzt gehen muss: Solange ich weg bin, steckst du deine Klamotten in die Waschmaschine und schläfst noch ein wenig - das wird dir sicherlich guttun. Du siehst immer noch sehr erschöpft aus. Auf der Konsole im Flur liegen einige Karten von Bringdiensten, ansonsten findest du da auch einen Zweitschlüssel, falls du vor die Tür gehen möchtest. Denn ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass du mit ein paar Eiern satt zu bekommen bist. Und heute Abend … Nun, wir überlegen uns heute Abend, was wir machen wollen.«
David dachte kurz nach und nickte dann zustimmend. »Heute Abend ist gut. Ich muss auch noch jemanden besuchen und außerdem zusehen, dass ich etwas Neues zum Anziehen auftreibe.«
Als Meta sich wenig später von ihm verabschiedete, lehnte sie sich zu ihm hinüber und gab ihm einen zarten Kuss auf die Wange. Obwohl es sich wunderbar anfühlte, war David außerstande, die zärtliche Geste zu erwidern. Denn ihm war gerade klargeworden, dass er heute Abend nicht würde zurückkehren können, wenn sich sein geplantes Gespräch mit Maggie als unfruchtbar erwies.
Vielleicht wäre es ohnehin das Beste, flüsterte ihm sein schlechtes Gewissen zu.Wenn du in Metas Nähe bleibst, wird Hagen dich früher oder später finden, und dann wird er nicht zögern, dich zurückzuholen. Hastig schob er den Gedanken beiseite.
Kapitel 18
Asyl
Er hätte Maggie einfach anrufen können, so wie er es beim letzten Mal getan hatte. Sie höflich um eine Audienz bitten. Doch diese Vorgehensweise fühlte sich falsch an, schließlich war er längst ohne Erlaubnis in ihr Revier eingedrungen. Dass Maggie noch nicht ein paar von ihren Handlangern vorbeigeschickt hatte, um David persönlich mit der Nase auf die Grenzlinie zwischen den Revieren zu drücken, zeigte deutlich: Sie duldete ihn hier, und diese Duldung würde ihn einiges kosten, da war er sich sicher.
Kaum konnte er in seine leidlich gewaschenen Sachen steigen, brach David auf. Schon auf dem Weg durch den Hausflur prüfte er erst einmal, ob auch keine anderen Bewohner unterwegs waren - deren unabdingbar skeptische Mienen wollte er sich gern ersparen. Er konnte sich bestens vorstellen, wie wenig vertrauenerweckend er in seiner zerrissenen Kleidung und den mittlerweile blau-grünlich verfärbten Blutergüssen im Gesicht aussah. Zwar war er es gewohnt, dass sein Gesicht Spuren von Gewalt verriet, aber in seinem eigenen Viertel fiel er damit nicht weiter auf.
Als er nun die Vorhalle des Hauses verließ und in die blasse Mittagssonne trat, die das letzte verfärbte Laub der Kastanien aufleuchten ließ, empfand er sich selbst als Fremdkörper. Metas Wohnung lag in einem begehrten Wohnviertel, dessen Häuser zwar einige Stockwerke maßen,
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