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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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aber ich möchte da gerne etwas mit dir besprechen, bevor du dich weiter auf diesen Mann einlässt, ja?«
    Statt einer Antwort warf Meta hektisch einen Blick über die Schulter. »O nein! Ich habe Camille in meinem Büro mit den Arbeiten von diesem Pornografen allein gelassen, der sich für einen Fotokünstler hält. Ich will die gute Frau doch nicht verschrecken!«
    Ungeachtet des überschwappenden Kaffees hastete Meta mit langen Schritten zurück in ihr Büro, wo Camille vor dem Fenster stand und die Betonwand betrachtete.Als sie sich umdrehte, sah es zunächst so aus, als wolle sie eine Bemerkung über die seltsame Aussicht machen, doch dann verfing sich ihr Blick an der von Metas Händen tropfenden Kaffeespur.
    »Ich hoffe, Sie haben sich nicht verbrannt?«
    Meta schüttelte nur stumm den Kopf, während sie Papiertücher aus einer Box zupfte.
    Den Rest des Tages brachte sie eiserne Disziplin auf, um ja keinen Gedanken an David oder Rahels Worte zu verschwenden. Sogar Eve, die am Nachmittag mit einer Grabesmiene die Galerie betreten und den unerschütterlich freundlichen Sol ignoriert hatte, hielt sich zum Glück mit beißenden Kommentaren zurück. Denn diese hoch konzentrierte Geschäftsfrau, die mit ihrem Handy am Ohr durch die Räume eilte, hatte schließlich nicht das Geringste mit jener Meta zu tun, die ihren jungen Liebhaber auf so spektakuläre Weise in die Gesellschaft eingeführt hatte. Nun, es würde noch genügend  andere Möglichkeiten geben, bei denen Eve ihr zu verstehen geben konnte, dass dieser Abend sie als absolut niveaulos geoutet hatte.
    Der Tunnelblick, den Meta aus Selbstschutz aufgesetzt hatte, wich erst, als sie sich am frühen Abend vor der schweren Holztür ihres Wohnhauses wiederfand. Nun rächten sich die unterdrückten Ängste, indem sie Meta schlagartig bestürmten und ein heilloses Durcheinander in ihrem Kopf anzettelten. Einen Moment lang glaubte sie, kaum den Mut zu finden, um einzutreten.Alles kein Problem, redete sie beruhigend auf sich ein. Wenn du nicht möchtest, musst du das blutige T-Shirt nicht sofort ansprechen. Und dieses unmenschliche Knurren, das er ausgestoßen hat, braucht heute Abend kein Thema zu sein.Vielleicht ist er ja auch gar nicht mehr da.
    Den letzten Gedanken bereute Meta sofort, da sich zu ihrer Mutlosigkeit nun außerdem die Furcht gesellte, dass David auf und davon sein könnte - und diese Vorstellung fand sie weit schlimmer als den Gedanken an eine Auseinandersetzung, die gewiss viel Unerfreuliches über sein Leben zutage fördern würde. Er ist da, ganz bestimmt, wiederholte sie wie ein Mantra. Vor ihrer Wohnungstür versuchte sie, sich noch einen vernünftigen Schlachtplan zurechtzulegen, doch da schwang die Tür auf, und David erschien im Rahmen.
    »Ich hatte schon befürchtet, du würdest das Ergebnis meiner Kochkünste bis zur Straße riechen und schleunigst wieder umkehren«, sagte er leichthin, aber Meta entging nicht der ernste Zug um seine Augen.
    Während sie eintrat und er ihr aus dem Mantel half, stellte sie zu ihrer Erleichterung fest, dass David ein neues Oberteil trug. In ihrer Verwirrung erschien es Meta wie ein rettender Anker.
    »Du bist einkaufen gewesen?«, fragte sie und packte den Saum des T-Shirts, wobei sie vorgab, lediglich den arg verblichen Aufdruck lesen zu wollen. In Wirklichkeit nutzte sie die Gelegenheit, näher an ihn heranzutreten und sich von seiner körperlichen Nähe beruhigen zu lassen. »Creedence Clearwater Revival - sind die nicht ein bisschen zu alt für dich?«
    »Ja, aber ich habe nichts gegen ein bisschen zu alt für mich«, sagte David mit seiner leisen, leicht herben Stimme, die ihr jedes Mal einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. »Dieser Tante-Emma-Laden einige Straßen von hier hatte tatsächlich eine paar verstaubte Exemplare im Hinterzimmer gelagert. Vermutlich warten die schon seit Jahrzehnten auf einen Käufer. Ich hoffe bloß, dass die Lebensmittel, die ich dort gekauft habe, nicht genauso lange herumgelegen haben.«
    Sanft umfasste er ihre Hüfte und wollte sie in Richtung Küche lenken, doch Meta drängte sich rasch an seinen Körper und ließ ihre Hand unter den Stoff des T-Shirts gleiten. »Die Anspielung auf ein bisschen zu alt eben war ganz schön frech. Wenn du möchtest, dass ich das sofort wieder vergesse, dann solltest du dich jetzt mal ordentlich anstrengen.«
    Meta nahm ein paar der feinen Haare unterhalb seines Bauchnabels zwischen die Fingerspitzen und zupfte kräftig daran.

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