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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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abrücken. Es hätte sie auch nicht verwundert, denn sie konnte selbst kaum glauben, was sie eben so unverblümt ausgesprochen hatte.
    Doch David rückte nicht ab. Einen Augenblick lang sah er sie noch prüfend an, als müsste sie ihm zublinzeln und zu verstehen geben, dass sie ihn auf den Arm genommen hatte. Dann lehnte er sich auf dem Sofa zurück und zog sie in seine Arme. Nur allzu gern schmiegte Meta sich an seine Seite. Die Musik hallte angenehm durch ihren Kopf, während sie Davids warmen Körper und den gleichmäßigen Rhythmus seines Atems spürte. Sie konnte nicht sagen, wann sie sich das letzte Mal so geborgen gefühlt hatte.
     

Kapitel 20
Unerwartete Nähe
    Unauffällig sah Jannik sich um. Die Straße war wie gewohnt verwaist, nur gelegentlich kam ein Passant, der den Kopf gesenkt hielt und zusah, dass er an dem nach einem Streuner aussehenden Jungen und dessen Hund vorbeikam. Trotzdem mochte Jannik sich nicht einfach auf den Bordstein setzen, bis er sich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte. Burek blickte ihn mit herabhängenden Ohren an, wahrscheinlich konnte er sich auch einen besseren Ort vorstellen als diese breite Straße, auf der der Herbstwind bestenfalls ein paar Zeitungsseiten jagte.
    »Noch einen Moment, du Nervensäge«, tröstete Jannik den Hund und griff nach seinem Tabakbeutel. Neben ihm auf dem Boden stand ein Karton mit ein paar von Davids Sachen. Es hatte ihn viel Mut gekostet, in die Wohnung einzubrechen und die Dinge herauszusuchen, von denen er wusste, dass sie seinem Freund wichtig waren. Hagens Garde schlich unentwegt durch die Gegend, aber bislang hatte ihn niemand zur Rede gestellt, was er in der Wohnung des Abtrünnigen zu suchen gehabt hatte. Jannik vermutete, dass Nathanel eine schützende Hand über ihn hielt. Ihm war das allerdings nicht recht. Schließlich war es die Schuld des alten Knaben gewesen, dass David überhaupt erst in diese Situation geraten war.
    In den letzten Tagen war es fast unmöglich gewesen, den Gerüchten zu entgehen, die im Rudel die Runde machten.  Dabei mieden die meisten Davids einzigen Kumpel nach Kräften, als ginge von ihm eine ansteckende Krankheit aus, die Krankheit namens Fahnenflucht.Wenn Nathanel nicht so scharf darauf gewesen wäre, den Wolf in David mit aller Macht zu stärken, dann wäre David bestimmt auch nicht durchgedreht und abgehauen. Zumindest redete Jannik sich das ein, genauso wie die Tatsache, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis David zurückkehrte. Keiner von ihnen schaffte es, allzu lange ohne die Verbindung zu den anderen zu überstehen. Es schmerzte den Wolf, als hielte man ihn in einer Grube gefangen, wo er von allem Lebenswerten abgeschnitten war.
    Zwar war David durch die Zeit, die er mit Convinius verbracht hatte, zäher als der Rest des Rudels, aber auch er würde früher oder später dem Sehnen seines Wolfes nachgeben müssen, wenn er nicht den Verstand verlieren wollte. Es sei denn, David schließt sich einem neuen Rudel an, wisperte eine leise Stimme, die Jannik überhaupt nicht schätzte.
    Sind zwei schon ein Rudel?
    Verbissen sah Jannik zu der Galerie auf der anderen Seite der Straße hinüber, durch deren großes Schaufenster er die blonde Frau beobachtete. Sie hatte einen Arm um ihre Taille gelegt, den anderen auf die Hüfte gestützt. Gelegentlich gestikulierte sie mit der Hand, wenn sie eins von ihren Worten unterstreichen wollte. Je länger Jannik sie betrachtete, desto weniger verstand er, was David von dieser Frau wollte, deren ganzer Leib mit seinen Spuren bedeckt war. Ihre Bewegungen wirkten affektiert, ihre Mimik äußerst reduziert. Sie wirkte langweilig und war außerdem zu dürr. Der imposante Mann im Anzug, mit dem sie sich unablässig unterhielt, schien da anderer Meinung zu sein.Was immer er in dieser Frau sah, es gefiel ihm. Gut, er war ja auch der Typ Mann, den man an Metas Seite erwarten würde. Aber was, verdammt noch mal, wollte David bloß von ihr?
    Mit einem Seufzen warf Jannik seine aufgerauchte Zigarette in den Rinnstein, woraufhin Burek ein hoffnungsfrohes Bellen hören ließ. »In Ordnung, wir beide starten jetzt durch«, sagte Jannik und klemmte sich den Karton unter den Arm. Ohne einen Blick nach links oder rechts zu werfen, ging er auf die Galerie zu und stieß mit der Schuhspitze die Eingangstür auf.
    Leichtfüßig schoss Burek an ihm vorbei, um schwanzwedelnd auf die Frau zuzulaufen und seine Schnauze an ihrem blass schimmernden Kleid zu reiben. Diese Meta blieb

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