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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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fuhr er wieder Richtung Stadt. Er redete sich ein, dass er sich ja zu nichts verpflichtete, wenn er in die Ortschaft fuhr. Er würde sich einfach in die Pizzeria setzen, seine Alternativen durchdenken und sie gegeneinander abwägen.
    Er konnte zu Seja fahren und versuchen, ihr alles zu erklären. Er konnte ihr von dem Chaos erzählen, das sie in ihm angerichtet hatte, von seiner krebskranken Chefin und den Ängsten seines Vaters, die anscheinend allmählich zu seinen eigenen wurden. Oder er konnte einfach zurück ins Präsidium fahren und auf alles pfeifen.
    Der Stress beflügelte ihn diesmal nicht, sondern raubte ihm jede Konzentration.
    Er hatte Lust auf ein Bier. Sein dünner Kaffee war mittlerweile nur noch lauwarm. Doch er bekämpfte den Drang, schließlich war es noch Vormittag und er war im Dienst.
    Er wählte die Nummer des Präsidiums, um sich als Ausgleich für die verpasste Sitzung nach den neuesten Nachrichten zu erkundigen. Da auf Karlbergs Apparat niemand antwortete, probierte er es bei Karin Beckman.
    Sie nahm ab, als er gerade wieder auflegen wollte. »Ich bin an was dran, Christian, ich ruf gleich zurück«, sagte sie kurz und legte auf.
    Wenige Minuten später vibrierte sein Handy auf der Tischplatte aus Marmorimitat.
    »Ja?«
    »Beckman hier. Vorhin hatte ich eine von den Personen bei mir, deren Fingerabdrücke in dem Jeep Cherokee aus Ulricehamn gefunden wurden.«
    »Hast du die schon alle durch?«
    »Zwei. Einen gewissen Bengt Falk erwisch ich einfach nicht. Ein paar Abdrücke stammten, wie erwartet, von Berit Johansson. Eine Sigrid Magnusson und ein Lennart Christiansson haben uns auch ihre Fingerabdrücke gegeben, die Abdrücken im Auto zugeordnet werden konnten. Zwei von den sechs gesicherten Abdrücken sind noch nicht identifiziert.«
    »Die könnten auch noch Bengt Falk gehören, dem falschen Mark Sjödin oder jemand ganz anderem. Mit etwas Glück haben wir da die Fingerabdrücke unseres Täters. Jetzt müssen wir nur noch den Täter selbst finden.«
    Sie seufzte. »Das wär schön, wenn man einfach von allen Leuten, die jemals mit dem Opfer zu tun hatten, die Fingerabdrücke nehmen könnte. Dann hätten wir die Antwort wahrscheinlich sofort.«
    »Die finden wir noch früh genug«, erwiderte Tell und war selbst beeindruckt, wie viel Zuversicht er vermitteln konnte, obwohl er selbst kurz vorm Verzweifeln war.
    Plötzlich hatte er den Drang, mit seiner Kollegin über das Gespräch mit Ann-Christine Östergren zu reden, aber er wusste, dass er damit einen Vertrauensbruch begehen würde.
    »Und Waltz’ Söhne?«, hakte er stattdessen nach.
    »Ich glaube, dass Karlberg sie für heute Nachmittag einbestellt hat. Maria Waltz hat wohl gleich nach einem Anwalt gekräht ...«
    Tell stieß einen erstaunten Pfiff aus. »Ich nehme an, sie wird bei der Vernehmung ihres Sohns dabei sein, oder?«
    »Keine Ahnung. Ich kann Karlberg ja Bescheid geben, dass er dich anrufen soll, wenn du heute nicht mehr reinkommst.«
    »Nein, nein«, wehrte Tell ab. »Nicht nötig. Ich komme ein bisschen später, ich ... hatte nur ein paar Sachen zu erledigen ...«
    Seine Stimme ließ ihn im Stich. Er war gar nicht so sicher, ob er heute noch mal im Büro erscheinen würde.
    »Klar. Dann sehen wir uns später.«
    Da entschied er anders: Jetzt oder nie.
    Er fuhr am Tatort vorbei. Von dort bis zu Sejas Haus waren es nur zehn Minuten mit dem Auto. Nachdem er seinen ganzen Mut zusammengenommen hatte, ging er die kleine Senke hinunter, über den Steg und stieg schließlich den Hang zu ihrem Haus empor. Seine Anspannung sank auf den Nullpunkt, als er sah, dass sämtliche Fenster dunkel waren.
    Seltsamerweise stand ihr Auto am Wegesrand.
    Im Stall empfing ihn absolute Stille. Sie war also ausgeritten und er konnte sie doch noch treffen, wenn er wartete.
    Ihm war schmerzlich bewusst, dass er ihre Nachrichten einfach ignoriert und sie damit auf die Folter gespannt hatte. Wahrscheinlich war sie schrecklich wütend. Oder enttäuscht. Wobei Enttäuschung zweifellos die schlimmere Vorstellung war.
    Als er entdeckte, dass die Haustür offen stand, ging er hinein, setzte sich in die Küche und wartete. Einerseits war er froh, nicht draußen in der Kälte stehen zu müssen, andererseits war es ihm unbegreiflich, wie ein Mensch so nachlässig sein konnte. Vielleicht lebte sie in dem Glauben, dass in ihrem gemütlichen Miteinander mit den Nachbarn sowieso nichts Böses geschehen konnte. Wenn dann ein Verbrechen geschah, bohrte es sich wie ein

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