Wintermord
hat gestanden, er sei mal Zeuge gewesen, wie ein junges Mädchen zu Tode kam, in so einem Hell’s Angels-Club oder so. In Borås. Also, ohne Absicht eben. Susanne wusste nicht, ob da eine Vergewaltigung aus dem Ruder gelaufen war oder ein Raubüberfall, weil Olof so unzusammenhängend erzählte, und sie wollte auch nicht weiter nachhaken. Ich nehme an, das war der abgeschlossene Fall, von dem du gesprochen hast?«
Tell nickte.
»Tja, viel mehr hat sie nicht gesagt. Nur, dass ihr der Vorfall wieder eingefallen ist, als ich sie fragte, ob sie jemand wüsste, der ihren Bruder vielleicht töten wollte. Sie wollte einfach helfen, und nachdem er jetzt sowieso tot war, fand sie es wohl nicht mehr so schlimm. Ihn zu verpfeifen, schätze ich.«
»Ungewöhnlich klar denkende Fixerin«, spöttelte Bärneflod.
»Sie konnte sich nicht erinnern, ob er den Zeitpunkt des Verbrechens erwähnt hat. Sie konnte sich ja nicht mal erinnern, wann Olof ihr die ganze Geschichte erzählt hat, aber da die Geschwister seit fünf, sechs Jahren keinen Kontakt mehr hatten, musste es zumindest so lange her sein. Sie meinte, nachdem Olof nach Kinna gezogen war, habe sie ihn nur noch ein paarmal besucht. Und bei einer dieser Gelegenheiten hat er ihr das Herz ausgeschüttet.«
Karin Beckman strich sich nachdenklich den Pony aus den Augen. »Über Olof sagt sie dasselbe wie alle anderen: Dass er schwierig war, schweigsam und ein bisschen griesgrämig. Was man übrigens auch von ihr behaupten könnte. Man merkt, dass das Leben nicht gerade sanft mit ihr umgesprungen ist. Aber irgendwie mag ich sie.«
»Ach, Karin, du magst doch die meisten Fixer und Huren und was zum Teufel du sonst noch so anschleppst«, grinste Bärneflod.
»Halt doch die Klappe.«
Tell, der sich mit beiden Händen auf die furnierte Tischplatte stützte, konnte seinen Eifer kaum verbergen. »Stellt sich nur noch die Frage ...«
»A: ob er allein war – nein, Bart war nicht allein«, fiel sie ihm wieder ins Wort. »Susanne hat es so verstanden, dass sie zu dritt waren. B: hat er seiner Schwester die Namen der anderen Gewalttäter genannt, und C: hat sie sie behalten? In beiden Fällen heißt die Antwort nein, wie zu erwarten. Aber ich glaube, sobald ich hier fertig bin, setz ich mich an den PC und sehe mir jeden unaufgeklärten Mord oder mutmaßlichen Mord an, der an jungen Mädchen zwischen 1990 und 2000 in der Gegend von Borås verübt wurde ...«
»Nicht nötig.« Tell richtete sich so schnell wieder auf, dass seine Wirbel unheilverkündend knackten. »Schau gleich 1995 nach. Ein Biker-Club namens ›Evil Riders‹. Das Mädchen hieß My Granith. Wir haben auch eine Adresse.«
Karlberg, Bärneflod und Karin Beckman sahen ihn an, als wäre er ein UFO.
»Du hast eine Adresse?«, fragte Karin Beckman schließlich.
»Von My Graniths Wohnung 1992. Die Chance, dass dort noch ein Angehöriger wohnt, ist zwar nicht allzu groß, aber sie besteht. Ansonsten suchst du die Angehörigen raus und gehst die ganze alte Ermittlung noch mal durch. Sprich dich vorher aber kurz mit Björkman ab, das ist ja eigentlich sein Bereich. In erster Linie müssen wir feststellen, ob wir Edell mit dieser Biker-Party in Verbindung bringen können, und vor allem, ob wir uns eine Art Mitgliederverzeichnis beschaffen können, um herauszufinden, wer der dritte Täter war. Ich muss wohl nicht extra betonen, dass sein Leben auch in Gefahr sein könnte.«
Tell schälte sich in der engen Küche mühselig aus seinem Mantel. Karlbergs ersticktes Aufstöhnen, als er ihm den Ellbogen in den Magen rammte, nahm er kaum wahr. »Da fällt mir ein, da war doch irgendwas in deinem Vernehmungsprotokoll mit den Nachbarn ... Mollberg?«
»Molin«, korrigierte Karin Beckman und setzte sich auf. »Natürlich! Verdammt, Molins Sohn! Das war doch Edells bester Kumpel!«
»Genau. Und deswegen glaube ich, dass da jetzt erst mal jemand nachhakt. Ruf doch mal jemand Björkman auf seiner privaten Nummer an – das kannst du übernehmen, Karlberg. Und sucht Molins Sohn, Sven Molin heißt er. Sven. Ruf mich oder Karin Beckman an, sobald du ihn zu fassen kriegst.«
Karlberg rieb sich immer noch den schmerzenden Bauch und brachte nur ein Nicken zustande.
»... dann fahr ich mit Karin sofort zu Mama und Papa Molin.«
Als sie das letzte Mal auf dem Hof der Molins gewesen waren, hatte ein ziemlich verrosteter weinroter Renault vor dem Schuppen gestanden. Jetzt lag auf dem kiesbestreuten Parkplatz nur ein dicker Ast, den
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