Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
Vom Netzwerk:
geschlossenen Kinderzimmertür kichern. Er hatte ihnen das Mansardenzimmer hergerichtet, damit sie ihm mit ihren Spielen nicht in die Quere kamen. In solchen Momenten war er sicher, dass sie über ihn lachten.
    Er war das reinste Wrack. Um seine Nerven zu beruhigen, blieb ihm nur eins: Er musste sich einreden, dass nichts wirklich wichtig war.
    Im Kühlschrank stand ein Sixpack Bier. Er überlegte allen Ernstes, ob er die Fütterung der Nerze unterbrechen und sich mit einem Bier aufs Sofa legen sollte – weil nichts wirklich wichtig war.
    Es würde sowieso alles ans Licht kommen. Und schlimmstenfalls musste er dafür bezahlen.
    Während Sven der Schweiß unter der Mütze hervorrann, drohten seine Schuhe auf dem Zementboden festzuwachsen.
    Schließlich hob er mit enormer Kraftanstrengung die Futtereimer hoch. Man konnte es auch so sehen: Am Rande der Katastrophe war Routine das Einzige, woran man sich noch festhalten konnte.
    Draußen tanzte der Teppichklopfer über den Teppich und erzeugte dabei ein Geräusch, das an Revolverschüsse erinnerte. Ein Schauder lief ihm über den Rücken. Schließlich ließ Lee die Arme sinken, und das Geräusch hörte auf. Sie war so winzig, dass der Teppichklopfer von ihrer Hand bis auf den Boden hing wie ein Spazierstock. Auf einmal sah sie richtig alt aus, von Arbeit gebeugt, wie die zahnlose Frau, die sie ihm als ihre Großmutter vorgestellt hatte. Sven hatte sie nie gefragt, ob sie glaubte, dass die Großmutter noch am Leben war.
    Neulich hatte er zum ersten Mal seit Monaten wieder mit seinem Vater telefoniert. Seitdem ließ ihn die Angst nicht mehr los, eine nagende Unruhe, die sich durch sein Nervensystem fraß und manchmal zu eiskaltem Grauen wurde. Dann bekämpfte er sie rasch mit körperlicher Tätigkeit, bis sie sich wieder in seinen Magen zurückzog und dort als vages Unbehagen lauerte. Als er Lee so mit ihrem Teppichklopfer dastehen sah, stieg ihm die Angst bis kurz unter den Adamsapfel, und einen Moment erwartete er verblüfft, gleich in Tränen auszubrechen.
    Sie stand dort und sah ihn an, genauso handlungsunfähig wie er.
    O Gott, lass ihr nichts zustoßen , dachte er plötzlich, woraufhin sich seine Kehle noch weiter zusammenschnürte. Und in diesem Moment traf er eine Entscheidung. Es gab kein Zurück. Nicht, wenn er an seinem Leben hing.
    Seltsamerweise merkte er, dass er tatsächlich an seinem Leben hing.

52
    Die Büros seiner Kollegen waren leer. Trotz der späten Stunde standen alle Türen jedoch weit offen, und in jedem Zimmer war der Computer noch an. Mit schnellen Schritten folgte Tell den Stimmen.
    Neben der Kaffeeküche befand sich ein kleiner Raum, der von den Kollegen, die nicht in die Polizeikantine gingen, als Pausenraum genutzt wurde. Bärneflod stand breitschultrig in der Tür und blockierte den Eingang.
    »Gut, dass du da bist«, begrüßte ihn Karin Beckman, die auf der Spüle thronte und in einer Tasse Kakao rührte. Jemand hatte eine Tüte Kekse spendiert. Auf einmal merkte Tell, dass er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte, und er nahm sich eine Handvoll.
    Karlberg räusperte sich. »Ich hab vor einer Weile schon versucht, dich anzurufen.«
    Tell nickte mit vollem Mund. »Mein Akku war leer. Wahrscheinlich hab ich nicht gedacht, dass meine alten Kollegen hier am Abend noch eine Versammlung abhalten«, sagte er gespielt locker. »Sieht ganz so aus, als hätte ich euren Fleiß unterschätzt – was meint ihr, wollen wir kurz durchgehen, wo wir stehen?«
    Er öffnete das Fenster.
    »Heute Vormittag habt ihr mich kritisiert – durchaus zu Recht –, weil ich euch meine Überlegungen zum Jeep-Fall nicht mitgeteilt habe. Vielleicht sollte ich das jetzt nachholen. Ich habe nämlich noch weitere Nachforschungen zu diesem ungelösten Fall angestellt, den ich erwähnt habe, und ...«
    »Ich hatte gerade von einem Gespräch mit Susanne Jensen erzählt, Olof Barts großer Schwester«, unterbrach ihn Karin Beckman. »Deswegen wollten wir dich auch anrufen.«
    Die anderen hatten den Bericht ihrer Kollegin offensichtlich schon gehört.
    »Also, Susanne Jensen saß vorhin am Empfang«, begann Karin Beckman. »Ich wollte gerade gehen, aber sie fragte nach mir. Du weißt schon, ich habe sie ja neulich im Obdachlosenheim getroffen, und da hat sie keinen Ton gesagt, aber jetzt wollte sie anscheinend reden. Sie hatte erzählt, dass Olof und sie sich vor ein paar Jahren mal richtig zugesoffen hätten, und dann ist er im Morgengrauen zusammengebrochen und

Weitere Kostenlose Bücher