Wintermord
mir einen Eimer Silofutter gemopst hat, hat bis SPÄTESTENS nächsten Samstag Zeit, es zu ersetzen, dann gehe ich mit der Sache zu Reino!!
Reino stieß einen tiefen Seufzer aus. Als er beschlossen hatte, das Stallgebäude zu renovieren und die Pferdeboxen zu vermieten, hatte er sich davon ein leicht verdientes Zubrot versprochen. Das Gebäude stand ja sonst leer, und nachdem ihm seine Tochter Sara jahrelang mit dem Wunsch nach einem eigenen Pferd in den Ohren gelegen hatte, nahm er die Sache irgendwann in Angriff, um das Vergnügen sozusagen mit einem Nutzen zu verbinden.
Wo hier das Vergnügen lag, hatte er mittlerweile fast vergessen. Sara war ihres Gauls ziemlich schnell überdrüssig geworden und hatte sich stattdessen Mopeds und dem anderen Geschlecht zugewandt. Und was das Zubrot anging, war es ganz sicher nicht leicht verdient. Tatsächlich hatte er noch nie so hart arbeiten müssen für so wenig Geld.
Dabei waren die offensichtlichen Verpflichtungen, die ihm als Vermieter oblagen, wie ein leckes Dach oder ein kaputter Zaun, der reinste Kleinkram. Am schlimmsten waren die nie versiegenden Streitereien.
Aber nun hatte er schon siebzigtausend in die Renovierung gesteckt, und wenn er jetzt aufgab, war das Geld zum Teufel.
Finanziell gingen sie auf dem Zahnfleisch. Als Gertruds Rückenprobleme begannen und sie nicht mehr als Tagesmutter arbeiten konnte, verschwand ein Drittel ihres Monatseinkommens. Heutzutage warf die Landwirtschaft ja kaum noch was ab.
Manchmal sah er keinen Ausweg mehr, doch dann gab ihm die Wut die Kraft zum Weitermachen.
In den letzten Jahren hatte er es sich angewöhnt, die Tür zur Sattelkammer zuzuknallen. Meistens nahm sowieso keiner davon Notiz, aber er konnte seiner Wut wenigstens ein bisschen Luft machen. Dass er dann die Gangschaltung zu grob bediente, musste am Ende natürlich doch wieder er ausbaden.
Als Reino sich auf den Fahrersitz fallen ließ, sah er seine rot geränderten Augen im Rückspiegel. Nachdenklich fuhr er sich mit der Hand über die Bartstoppeln, dann drehte er den Zündschlüssel. Während er neben der Koppel beschleunigte, wichen die Pferde verängstigt vom Zaun zurück.
Wie immer brauchte er seine ganze Kraft, um an Lise-Lotts Haus und der Werkstatt vorbeizufahren, denn kein einziges Pferdemädchen – und übrigens auch kein EU-Erlass – konnte ihm derart schlechte Laune machen wie der Anblick dieser dummen Nuss. Ganz zu schweigen von ihrem neuen Macker, der wie bekloppt durch die Gegend rannte, um alte Wirtschaftsgebäude, halb verrottete Bäume und Unkraut zu fotografieren.
Einmal war Reino zu diesem Waltz gegangen, um mit ihm zu reden, da alle Verständigungsversuche mit der dummen Kuh schiefgelaufen waren.
Er war gut vorbereitet und hatte sogar eine Flasche Whisky dabei. Schließlich war er bereit, eine Lösung zu finden, die allen Beteiligten zugute kam. Seine eigene finanzielle Lage war auf die Dauer unhaltbar, und bei Waltz konnte es nicht viel anders sein. Nach allem, was Reino so mitbekommen hatte, verstand er nämlich nicht allzu viel von Autos, und von Landwirtschaft hatte er erst recht keine Ahnung. Und wie es aussah, hatte Waltz ja nicht einmal vor, das Land zu bestellen, das zu Thomas’ und Reinos elterlichem Gut gehört hatte.
Das Gut von Thomas und meinen Eltern . Er betonte dabei jede Silbe, doch Waltz stellte sich dumm und redete nur von seiner Fotografiererei und wie gut ihm die Landschaft rund um den Hof gefiel. Reino hätte ihn am liebsten gepackt und geschüttelt.
»Thomas ist von uns gegangen, und als sein Bruder ist es meine Pflicht, den Hof zu übernehmen und weiterzuführen. Außerdem ist mein eigener Hof auch viel zu klein, der bringt einfach nichts ein. Und Lise-Lott hat keine Ahnung von der Landwirtschaft. Es war ja schon ein Witz, dass sie die Autowerkstatt noch so lange zu halten versucht hat. Eine Frau!«
Er konnte sich wirklich nur mühsam beherrschen. »Hör zu. Ich bin hier aufgewachsen, mein Vater hat diese Äcker gepflügt. Solange Thomas noch lebte und mit Lise-Lott den Hof bewirtschaftete, hatte ich meine eigenen Projekte, aber nach Thomas’ Tod habe ich ein Recht auf den Hof meines Vaters. Schließlich wollte mir Lise-Lott den Hof schon überlassen, bevor du aufgetaucht bist. Natürlich gegen eine symbolische Summe. Ich meine, was will sie denn mit all dem Land?«
Er selbst fand, dass er die Sache sehr gut formuliert hatte, und machte zum Schluss sogar das großzügige Angebot, dass Waltz und seine Alte auf
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