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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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ihm das Gefühl, in Riesenschritten auf den Tod zuzulaufen.
    Martin war ein unruhiger Geist, er wollte ständig weiter, wollte reisen, Leute kennenlernen, Neues ausprobieren. Für Seja waren die inneren Reisen genug, die morgendlichen Ausritte durch den Wald, die eiskalten herbstlichen Bäder im Waldsee.
    Sie verlagerte ihren ganzen Schmerz auf die Tatsache, dass Martins Weggehen sie so unerwartet getroffen hatte. Wir hatten uns doch gerade erst das Haus gekauft, gerade erst neu angefangen, und es ging uns doch so gut!
    Dass die Zeit alle Wunden heilte, klang in ihren Ohren einfach lächerlich.
    Sie sah aufs Thermometer. Es war etwas milder geworden, und sie beschloss, Lukas auf seine Koppel zu lassen. Sie legte ihm das Halfter an und führte ihn auf die Wiese. Vor dem Stall lagen Drahtrollen, mit denen sie einen Gang zwischen Stall und Weide hatte bauen wollen, damit Lukas sich unabhängig von Wind und Wetter frei bewegen konnte. Wie viele andere Projekte, wurde auch dieses auf Eis gelegt, als Martin verschwand.
    »Du brauchst mich doch gar nicht!«, hatte er gemeint.
    Doch, wollte sie sagen. Ich brauche dich ganz schrecklich. Stattdessen weinte sie.
    Sie weinte auch, wenn sie morgens zum Briefkasten ging, um die Zeitung zu holen. Der hilflose Åke Melkersson legte den Kopf schräg und bot ihr sogar an, bei Bedarf ihr Badezimmer zu benutzen. Und sie solle Bescheid sagen, wenn sie Hilfe brauche. Ein Mädchen wie du sollte nicht so allein im Wald wohnen . Er schien aufrichtig bekümmert. Und ganz sicher nicht im Haus vom alten Gren. Als Kristina Åke vorschickte, um Seja anzubieten, ein Zimmer in ihrem modernen einstöckigen Haus zu mieten, musste Seja freundlich, aber bestimmt ablehnen. Sie würde schon zurechtkommen. Und sie hatte ja Lukas.
    Seit Åke sie zu dem Platz mitgenommen hatte, an dem der Mann ermordet worden war, hatte sie Abstand zu ihm halten müssen. Unbehagen hatte sie ergriffen. Die Augen des Toten verfolgten sie noch immer, und in einem Albtraum hatte sie sich sogar selbst tot im Kies liegen sehen.
    Doch ein Teil von ihr fühlte sich weiter angezogen vom Tatort. Sie musste zurückfahren. Die Stimmung in sich aufnehmen. Fotografieren. Sie spürte, wie die Kreuzung, von der es zu Thomas Edells Werkstatt ging, eine morbide Anziehungskraft auf sie ausübte. Thomas Edell.
    Sie hatte versucht, diesen Kommissar hinters Licht zu führen, und war sich sicher, dass er das so schnell nicht vergessen würde. Irgendetwas in ihr hatte bleiben wollen, hatte sich eine Freikarte zum Tatort gewünscht, damit sie den Toten aus nächster Nähe sehen und fotografieren konnte. Das hatte nicht nur mit ihren journalistischen Ambitionen zu tun. Es ging um etwas, was vor langer, langer Zeit geschehen war, in einer anderen Wirklichkeit.
    »Wir melden uns wieder bei Ihnen, damit wir Ihre Angaben vervollständigen können«, hatte der Polizist mit dem schiefen Schneidezahn und den kräftigen Händen gesagt.
    Sie hatte den ganzen Tag schreiben wollen.
    Die Katze strich ihr um die Knöchel und riss sie aus ihren Gedanken. Sie warf eine Mistgabel voll Streu auf die Schubkarre und schob sie um die Ecke zum Komposthaufen. Sie beschloss, Lukas auf der Koppel zu lassen, solange es noch hell war.
    Im Haus zog sie sich Jeans und Pulli an, die nicht nach Stall rochen, und band sich einen Schal um den Kopf. Wieder verlor sie sich in Gedanken an den Toten. Plötzlich überrumpelte sie eine Angst, die sich in ihrem ganzen Körper breitmachte. Sie wünschte, sie wäre nicht mit Åke an den Tatort gefahren, hätte einfach den Hörer auf die Gabel geknallt und wäre wieder eingeschlafen.
    Vielleicht sollte sie in die Unibibliothek fahren und sich Kursliteratur für die nächste Prüfung ausleihen. Aber als sie im Auto saß, wusste sie, dass es ihr schwerfallen würde, an der bewussten Kreuzung nicht Richtung Werkstatt abzubiegen. Die unscharfen Fotos vom Tatort lagen zusammen mit dem ersten Entwurf für ihre Story zwischen den Seiten ihres Kollegblocks. Ob sie diesem Tell wohl zuvorkommen und sich mehr Informationen über das Geschehen beschaffen konnte? Schließlich hatte sie bereits gelogen und damit schon einen bestimmten Weg eingeschlagen.

11
    »Scheiß Rotznasen«, murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen, nachdem er die Tür zur Stallkammer zugeknallt hatte. Das Schwarze Brett war wie immer übersät mit wütenden Nachrichten: Wenn du den Gang gefegt hast, kipp den Dreck doch bitte NICHT in den Brunnen, der verstopft nämlich!!! Wer

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