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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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Multiproblemfamilien, dass sie umziehen, sobald es brenzlig wird. Und oft denken sie tatsächlich, dass sie an ihrem neuen Wohnort einen Neuanfang machen können. Dann gerät die Familienstruktur wieder ins Wanken, und das nächste Sozialamt wird auf sie aufmerksam.«
    »Sie meinen also, dass Informationen über solche Problemfamilien nicht unbedingt an die Ämter am neuen Wohnort weitergegeben werden?«
    »Ganz genau.«
    »Mit anderen Worten: Die Kinder dieser Familien können praktisch beliebig oft durch die Hölle gehen, ohne dass jemand etwas unternimmt. Nur weil die Familie wegzieht und die Angelegenheit zu den Akten gelegt wird.«
    »Praktisch ja.«
    »Und es steckt kein Hintergedanke dahinter?«, sagte Tell schließlich. »In dem Sinne, dass der Mensch vielleicht doch fähig sein könnte, sein Leben zu verändern? Oder dass er das Recht hat, es zu versuchen?«
    Wieder musste er an Lisa Jönsson denken.
    Birgitta Sundin schüttelte den Kopf. »Trotz allem ist der Gedanke der, dass wir das Wohl des Kindes an erste Stelle setzen. Aber wie in allen größeren Einrichtungen sitzen Menschen manchmal zwischen den Stühlen. Wie auch immer: Ich trat auf den Plan, als die Familie schon ein paar Monate hier wohnte – warten Sie, ich muss kurz nachsehen. Es waren ein paar Anzeigen von den Nachbarn eingegangen. Sie gaben an, in der Wohnung der Familie Pilgren sei dauernd die Hölle los. Wenig später misshandelte Magnus Cecilia so schwer, dass sie im Krankenhaus landete. Eine Weile wohnte sie dann mit Sussie im Frauenhaus. Sie zeigte Magnus an. Später zog sie die Anzeige wieder zurück.«
    Tell nickte. Das kannte er nur zu gut.
    »Um es kurz zu machen: Wir taten alles in unserer Macht stehende, um Cecilia zu bewegen, Hilfe anzunehmen. Das Paar trennte sich kurz vor der Entbindung. Ich weiß noch, dass ich das als Schritt in die richtige Richtung empfand. Während der Schwangerschaft hatte sie ihren Amphetaminmissbrauch tatsächlich massiv heruntergefahren – hier ist ein ziemlich positiver Bericht von einer Entzugsklinik.«
    Sie zeigte auf einen Stoß vergilbten maschinenbeschriebenen Papiers. Auf dem Deckblatt stand »Entzugsklinik Hästeviken.«
    »Wenn sich drogensüchtige Frauen überhaupt mal richtig zusammenreißen, dann in der Schwangerschaft – und als Magnus aus ihrem Leben verschwand, sah ich tatsächlich eine Chance für Cecilia.«
    Sie nahm eine Schachtel mit Halsschmerztabletten aus der obersten Schreibtischschublade. »Leider ist es oft so, dass wir die Väter solcher Familien schon sehr früh abschreiben«, fuhr sie fort, ohne dabei besonders schuldbewusst auszusehen. »Wir haben alles probiert, aber als Olof erst mal auf der Welt war, lebte Cecilias Drogenmissbrauch wieder auf. Vor allem um Sussie kümmerte sie sich nicht mehr richtig und brach jeden Kontakt zum Sozialamt ab. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, war Olof ein knappes halbes Jahr alt, als Sussie zu Pflegeeltern kam.«
    »Das Mädchen kam also in eine Pflegefamilie, aber der Junge nicht?«, staunte Tell.
    »Ja, damals haben wir so entschieden, weil das Mädchen am meisten unter Cecilias Zustand litt. Es ist gar nicht so selten, dass die Mütter mit ihren Säuglingen noch einigermaßen zurechtkommen, aber aufgeben müssen, wenn das Kind heranwächst, wenn es trotzig wird und Forderungen stellt. Genauso war es auch bei Cecilia. Trotz allem waren wir bereit, ihr mit Olof eine Chance zu geben. Sie wissen selbst, wie leicht es ist, hinterher klüger zu sein«, verteidigte sie sich.
    »Wir haben sie schließlich durch Versprechungen und Drohungen so weit gebracht, dass sie einen Platz in einem Mutter-Kind-Heim akzeptierte. Das lag irgendwo in Dalarna, glaub ich. Dort wohnten Cecilia und Olof ein Jahr.«
    »Was bedeutet der Aufenthalt in so einem Heim?«, fragte Tell.
    Instinktiv ahnte er, dass sich diese längst vergangenen Ereignisse für seine Ermittlungen als relevant erweisen würden.
    Bevor Birgitta Sundin die Frage beantworten konnte, klopfte es an der Tür, und kurz darauf kam ein korpulenter Mann Mitte dreißig herein. Er teilte ihr mit, dass im Besprechungszimmer eine Gruppe Jugendlicher wartete, die einen Termin bei ihr hatten.
    »Augenblick noch, Peter«, gab sie kurz zurück. »Der Herr Kommissar und ich sind gleich fertig.«
    Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, bevor sie fortfuhr. »In diesen Heimen beobachtet man Mutter und Kind und erstattet laufend Bericht über die Mutter, über die Mutter-Kind-Bindung und so weiter.

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