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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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Verhältnissen aufwachsen. Wenn uns – zum Beispiel durch eine Anzeige – zu Ohren kommt, dass dem in einer bestimmten Familie nicht so ist, sind wir verpflichtet, eine Untersuchung vorzunehmen. Als Polizist wissen Sie das sicher.«
    »Das ist nicht ganz mein Fachgebiet«, räumte er ein und bat sie fortzufahren. »Können Sie mir etwas über die Eltern erzählen?«
    Sie blätterte die Akten durch, in denen alle Maßnahmen von Seiten des Sozialamts dokumentiert worden waren.
    »Nur als Gedächtnisstütze«, dann schob sie die Zeigefinger unter ihre Brille und begann krampfhaft zu reiben. Die trockene Haut unter ihren Augen rötete sich sofort.
    »Tja, wie soll man das Ganze zusammenfassen ... Zwei unreife Individuen mit Suchtproblemen, die außerstande sind, ihre Impulse zu kontrollieren, lernen sich kennen und bekommen Kinder.«
    Sie lächelte schief, wurde aber sofort wieder ernst. »Cecilia Pilgren war eigentlich ein nettes Mädchen, aber trotz ihrer guten Anlagen konnte sie einfach nichts aus sich machen, weil ihre eigene Kindheit so problematisch gewesen war. Sie hatte keine gesunden Vorbilder, das merkte man. Sie suchte sich immer Männer, die selbst Probleme hatten ... Sie kennen das ja. Magnus hatte ein ausgeprägtes Drogenproblem. Er war gewalttätig und misshandelte sowohl Cecilia als auch die Kinder, wenn es ihn überkam. In seinem tiefsten Inneren wollte er sicher auch nur das Beste für seine Kinder, das will schließlich jeder. Wenn er clean war, konnte man sogar richtig vernünftig mit ihm reden. Dann merkte man, dass unter seiner rauen Schale auch eine verletzte Seele steckte.«
    Sie schien sich in ihren Gedanken zu verlieren, doch dann schüttelte sie den Kopf und blätterte wieder in ihren Unterlagen. »Ja, wie gesagt, an ihrem vorherigen Wohnort waren Anzeigen eingegangen. Nach ein paar missglückten Einsätzen des Sozialamts sind sie eben abgehauen. Wenn ich mich recht erinnere, sind sie aus Solna hierher gezogen.«
    »Inwiefern missglückte Einsätze?«
    Finster betrachtete Tell die Akten. Sie waren so dick wie Telefonbücher, vollgepfropft mit Berichten von Profis aller Art: Sozialarbeiter und Beteiligte aus dem Rechtswesen, Ärzte, Lehrer, Vorschulpersonal. Eines war allen Berichten gemeinsam: Man machte sich große Sorgen um das Wohlergehen der Pilgren-Kinder.
    »Na ja, also, bevor man so einen einschneidenden Eingriff ins Familienleben vornimmt wie die Vermittlung der Kinder in eine Pflegefamilie, ist das Sozialamt gesetzlich verpflichtet, andere Arten von Hilfestellung anzubieten.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel verschiedene Arten von Unterstützung zu Hause. Magnus begann eine Entziehungskur, die er aber nie zu Ende brachte. Auch Cecilia wurde jede Art von Hilfe angeboten.«
    »Aber das brachte alles nichts, stimmt’s?«, sagte Tell.
    »So ist es. In erster Linie lag das daran, dass Cecilia so wenig kooperativ war, aber das ist bei Müttern in dieser Lage nicht außergewöhnlich. Irgendwie auch verständlich.«
    »Inwiefern?«
    »Tja, diese Maßnahmen sind im Grunde ja dazu gedacht, den Eltern in ihrer Elternrolle zu helfen, aber man muss sie meistens richtig zwingen, diese Hilfe anzunehmen. Wenn sie die unterstützenden Maßnahmen des Sozialamts nicht annehmen und ihren guten Willen nicht unter Beweis stellen, kann es immer noch passieren, dass die Kinder in eine Pflegefamilie vermittelt werden.«
    »Das heißt, obwohl diese Maßnahmen als freiwillig bezeichnet werden, haben die Eltern im Grunde keine andere Wahl?«
    »Genau. Deswegen sind diese Eltern den Hilfsmaßnahmen des Sozialamts gegenüber selten positiv eingestellt, und bei Cecilia war es nicht anders. Ihre ablehnende Haltung in Verbindung mit einem unstrukturierten, chaotischen Leben führten dazu, dass es ihr niemals gelang ... sagen wir mal, ihren Teil der Abmachung zu erfüllen. Wie Sie wissen, endete das Ganze damit, dass die Kinder zu Pflegeeltern sollten. Was wahrscheinlich auch in Solna passiert wäre, wenn sie nicht vorher weggezogen wären.«
    »Wie kam es, dass Sie die Entscheidungen des vorher zuständigen Sozialamts nicht einfach ausgeführt haben? Die hatten ihre Nachforschungen doch sicher schon abgeschlossen?«
    Sundin lächelte nachsichtig, räumte aber ein, dass Tell mit seiner Argumentation nicht ganz unrecht hatte. »Das könnte man meinen, und im Prinzip ist es auch so. Aber in vielen Fällen folgt die Praxis eben nicht den Prinzipien. Es ist nicht ungewöhnlich bei solchen ... nennen wir sie mal

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