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Winternacht

Winternacht

Titel: Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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sich vor und legte sanft seine Lippen auf ihre. Unter unseren Blicken warf sie ihm die Arme um den Hals, er schlang seine um ihre Taille, und sie küssten sich so innig und tief, dass es mir den Atem verschlug. Blind tastete ich nach Grieves Hand, und wir wandten uns ab, um den beiden ein wenig Privatsphäre zu gönnen, bis Rhiannon sich räusperte.
    Chatter trat zurück, ohne seinen Blick von ihr zu nehmen. »Du weißt, was ich fühle, Miss Rhiannon. Du musst es wissen.«
    Sie nickte errötend. »Bitte, Chatter, sag Rhiannon«, flüsterte sie. »Ich stehe nicht über dir. Das würde ich niemals glauben.«
    Er lächelte. »Ich hoffe sehr, dass du ein wenig fühlst wie ich.«
    Sie nickte wieder und lächelte durch ihre Tränen. »Ja, das tue ich. Schon seit … seit ich mich erinnern kann.«
    »Dann verspreche ich dir eins: Was immer getan werden muss, ich bin bei dir, um dir zu helfen, um für dich da zu sein. Du musst niemals mehr allein sein, Rhiannon.«
    Und dann setzten wir uns wieder in Bewegung und drangen in unserer nun schon vertrauten Marschordnung tief in den Wald ein. Heather wartete dort auf uns, und weil wir sie liebten, würden wir sie umbringen.

10. Kapitel
    W ährend wir durch den Schnee pflügten, blitzten Bilder von meiner Tante in meinem Bewusstsein auf. Immer war sie diejenige gewesen, die mich getröstet hatte, denn meine leibliche Mutter hatte wenig Geduld für meine Tränen gehabt. Bis ich sechs Jahre alt gewesen war, waren Heather, das Haus der Schleier und Rhiannon die Konstanten in meinem Leben gewesen – und dann hatte meine Mutter mich einfach von dort fortgeholt. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie sie mich die Treppe hinuntergezerrt und ich aus vollem Hals geschrien hatte, weil ich gewusst hatte – weil ich ganz genau gewusst hatte! –, dass mein Leben nur noch aus Angst und Unsicherheit bestehen würde, sobald ich mit ihr in das Auto steigen und davonfahren würde.
    Natürlich hatte ich recht gehabt.
    Anrufe und gelegentliche Besuche zu Hause hatten mir Hoffnung gegeben. Aber Myst hatte sie ausgelöscht, als sie Heather gefangen genommen hatte. Wir würden nicht meiner Tante gegenübertreten, sondern einem Ungeheuer in ihrer Gestalt, und das mussten wir uns immer wieder ins Bewusstsein rufen.
    Wir kamen nur langsam voran, duckten uns hinter das Dickicht und krochen an Felsen und Stämmen vorbei. Kalte Luft füllte unsere Lungen. Es war eisig, der Schnee war nass und pappig, und mir klebte die Jeans an Schenkeln und Waden. Zum Glück ließen Stiefel und Jacke keine Feuchtigkeit durch. Ich ging in die Hocke, als wir uns einer weiteren Lichtung näherten – der Mündung zum Pfad, der uns weiterbringen würde.
    Als ich durch die Zweige spähte, sah ich Heather. Sie trug ein hauchzartes Kleid in der Farbe des Zwielichts, das mit silbernen Fäden durchwirkt war. Sie stand dort still wie ein Grabstein, nur ihr langes, rotes Haar wehte im Wind. Ihre Lippen waren rot wie Beeren, die Augen glommen im Obsidianschwarz der Vampire. Der zipfelige Saum ihres Kleids schlug leicht hin und her, und die langen Ärmel flatterten, als würden zarte Finger mit ihnen spielen.
    Rhiannon kroch an meine Seite. Ihr Blick war starr auf ihre Mutter gerichtet, und ihre Miene sagte alles, was ihre Lippen nicht formulieren konnten. Ich sah die unendliche Trauer um den Verlust, die Einsamkeit und den Schmerz, erleben zu müssen, wie eine geliebte Person in den Schatten glitt. Sie suchte meinen Blick, und ich streckte langsam die Hand aus und streichelte ihre Wange, dann küsste ich meine Finger und drückte sie ihr sanft auf die Lippen. Sie senkte den Kopf, während ich darauf wartete, dass sie das Signal gab. Sie war diejenige, die die Entscheidung treffen musste.
    Nach einem Augenblick blickte Rhiannon wieder auf, und ihre Miene hatte sich verändert, als habe man einen Schalter umgelegt. Nun sah ich Zorn, Entschlossenheit, Stärke.
    Ich schaute mich um und entdeckte einen abgebrochenen Ast auf dem Boden. Er musste als Pflock reichen.
    Auch Rhia bewaffnete sich mit einem Ast von einer gefällten Zeder. Grieve, Chatter und Kaylin taten es uns nach, und dann waren wir bereit.
    Ich gebe euch Rückendeckung, wisperte Ulean. Die Luft vibrierte in ihrer Aufregung. Heather darf nicht zu Myst zurück.
    Ich weiß, Ulean, ich weiß. Aber es ist nicht so leicht. Sie ist … war … meine Tante.
    Sie ist nicht länger deine Tante, sondern eine von Mysts Hexen. Denk immer daran: Ihr Aussehen täuscht. Heather tut, was

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