Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winternacht

Winternacht

Titel: Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
Vom Netzwerk:
Kein Zögern, nur Handeln.«
    Und damit schwang ich meine Beine über die Kante, atmete tief ein und stieß mich ab, bevor ich es mir noch einmal überlegen konnte. Im nächsten Moment stürzte ich hinab in den Kaninchenbau.

    Stopp … ein Standbild. Ich falle, falle, stürze durch einen Strudel aus wirbelnden Farben, Grün, Gold und ein Streifen Rot, und es ist, als befände ich mich in einem riesigen Kaleidoskop. Ich schlage träge Salti in der Luft, kopfüber hinein in den magischen Brunnen, bin wie Alice, die in den Kaninchenbau stürzt …
    Stopp. Ein Standbild … und der Fall wurde abgemildert, und die Ströme fingen mich auf und bremsten mich wie ein Fallschirm. Endlich konnte ich zu Atem kommen, und als ich aufsah, entdeckte ich nur schwache Schimmer, die Bewegung bedeuten oder nur die wirbelnden Farben dieser psychedelischen Reise sein mochten.
    Ein Standbild … und die wirbelnden Farben verschwanden, als ich durch eine tiefhängende Wolke glitt und in einem dunklen, steinernen Gang unsanft auf meinem Hinterteil landete. Ich stemmte mich hoch und setzte mich hastig in Bewegung. Wenn die anderen mir folgten, standen die Chancen gut, dass sie genau dort landen würden, wo –
    Ich war gerade zur Seite gesprungen, als auch schon Kaylin ankam. Er landete auf den Füßen und fing sich in der Hocke ab. Schnell machte auch er Platz. Rhiannon war die Nächste, und sie wäre fast kopfüber gegen den Stein gekracht, hätte Kaylin sie nicht rasch aufgefangen. Sie warf mir einen angstvollen Blick zu, während wir warteten. Einen Augenblick später hatten Chatter und Grieve sich zu uns gesellt.
    »Und wie sollen wir je wieder dort hinaufkommen?« Rhiannon schaute auf in die wirbelnden, leuchtenden Wolken, die den Eingang zum Portal verbargen. »Und was ist mit der Falltür?«
    Chatter schüttelte den Kopf. »Keine Sorge. Ich habe den Zugang getarnt. Aber was die erste Frage betrifft, wie wir wieder hinaufkommen … Ich habe keine Ahnung. Das wird sich schon finden, wenn es so weit ist.«
    Ich trat an die Wand, um sie zu untersuchen. Sie leuchtete auf dieselbe Art wie der andere Tunnel, nur heller, wärmer.
    Ich legte meine Stirn an das glatte Material, und etwas darin nahm Verbindung mit mir auf und löste Bilder von Sommernächten mit viel Eiscreme, bunten Libellen und Sternschnuppen in mir aus. Als ich mich in den Windschatten herabsinken ließ, konnte ich den milden Sommerabend beinahe riechen.
    Grieve stellte sich neben mich. »Was spürst du?«
    Ich nahm seine Hand und legte sie flach an die Wand. »Sag du’s mir – du spürst es auch, oder? Das hier ist Lainules Heiligtum, ihr ganz privates Innerstes. Fühlst du die Essenz des Sommers hier in den glatten Wänden?«
    Er schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Und dann begann er den Kopf zu schütteln, seine Lider flogen auf, und er fuhr zurück, sank keuchend auf die Knie und schlug die Hände vors Gesicht. »Ich … ich erinnere mich …« Seine Stimme klang so gequält, dass es mich innerlich zerriss, als ich an seine Seite hastete und mich neben ihn hockte.
    »Was ist passiert? Ist alles in Ordnung?« Ich legte ihm den Arm um die Schultern, aber er schüttelte mich ab.
    »Ich … ich erinnere mich, wie es war … wie ich war, bevor sie mich verwandelt hat.« Er setzte sich langsam wieder auf. Sein Blick war verzweifelt. »Ich bin befleckt. Besudelt. Ich werde nie wieder normal sein.« Ein Knurren löste sich aus seiner Kehle, und er verengte die Augen. »Man kann nicht in zwei Welten zugleich existieren.«
    Plötzlich war Chatter an seiner Seite. »Grieve, kannst du mich hören? Hör auf meine Stimme. Folge meiner Stimme. Komm mit nach Hause. Komm mit.« Seine Worte nahmen eine dunkle Färbung an und wirbelten auf wie Herbstlaub, und ich spürte, wie ich dem Rhythmus verfiel.
    Grieve knurrte wieder, und mit einem Mal sah ich in ihm den Schattenjäger, der herauswollte. Doch er behielt die Kontrolle und konzentrierte sich auf Chatters Gesicht, Chatters Stimme. Ich gab keinen Laut von mir.
    »Folge meiner Stimme nach Hause, komm zurück … folge der Spur im Schnee. Siehst du den Schnee um dich herum?«
    Wie in Trance nickte Grieve. »Überall. Überall ist nur Schnee, Schnee und Kälte, die ewige Eiszeit und die silbernen Sterne in ihren Augen. Sie ist so kalt … so schrecklich kalt.« Er schauderte, aber Chatter bedachte mich mit einem Blick, der es mir verbot, mich zu bewegen.
    Chatter sprach flüsternd auf Grieve ein. »Folge meiner Stimme durch

Weitere Kostenlose Bücher