Winternacht
kann das Wasser auch beschwören, aber dann brauchen wir wieder den Geist.«
In diesem Moment kam Peyton zu uns. »Warum lasst ihr das nicht Kaylin machen?«
Luna klatschte in die Hände. »Ja, natürlich, das wäre perfekt. Unsere fünf Wachtürme haben wir also.« Sie wandte sich an Zoey. »Was noch?«
»Einen Trommler – das kann ich übernehmen. Ich kann Doumbek spielen. Aber ich glaube, wir brauchen doch noch Wasser. Luna, du wirst bei diesem Ritual für die Seelen singen müssen. Das Ritual verlangt, dass du und die Person, die den Geist beschwört – Kaylin also –, in Grieves Verstand dringen müsst, um Mysts Energie dort herauszulösen.« Zoey sah sich um und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Rex. »Was ist mit ihm? Kann er Wasser anrufen?«
Wrath trat kopfschüttelnd an den Tisch. »Ich übernehme das. Ich bin König von Schilf und Aue. Wasser ist genauso mein Element wie Luft.«
Ich blickte verblüfft zu ihm auf. »Du willst helfen?«
»Wieso nicht? Wir sollten es versuchen. Selbst wenn wir Myst vernichten, würde das Wesen der Vampirfeen in Grieve bleiben.« Er blickte auf die Uhr. »Allerdings sollten wir mit dem Ritual keineswegs vor Lannans Ansprache heute Abend beginnen. Dafür haben wir aber genug Zeit, uns darauf vorzubereiten. Was braucht der Zauber noch?«
Zoey holte ein Buch hervor und zeigte uns den Titel: Der Indigo-Hof im Aufwind. »Das hier ist vor einigen hundert Jahren verfasst worden. Ich fand das Werk, als ich im Archiv herumstöberte. Es war ziemlich versteckt.«
»Was machen die Akazzani, wenn sie herausfinden, dass du Material aus den Katakomben entwendet hast?« Luna blickte ihre Schwester an, und in ihrem Lächeln lag Dankbarkeit. Doch als Zoey antwortete, schwand das Lächeln.
»Ich würde bestraft werden. In der Festung gibt es Gewölbe, in denen die Schatten toter Historiker residieren, die in unseren Gefilden verschieden sind. Wenn jemand einen schlimmen Regelbruch begeht, sperrt man ihn eine Weile dort unten in der Gesellschaft von Geistern und Schatten ein. Derart Bestrafte sind selten Wiederholungstäter.« Sie schüttelte den Kopf, bevor Luna etwas sagen konnte. »Ich habe mich selbst dazu entschieden. Ihr braucht meine Hilfe, und ich sehe die Notwendigkeit. Ich habe eine familiäre Notlage als Grund für meinen Urlaubsantrag angegeben. Damit habe ich nicht gelogen.«
»Sie dürfen auf keinen Fall herausfinden, was du getan hast. Ich könnte nicht ertragen, dass man dich einer solchen Behandlung unterzieht.« Luna zögerte. »Warum bleibst du nicht bei uns? Wenn es vorbei ist, meine ich. Du fehlst mir.«
Zoey zog die Brauen zusammen und blickte zu Boden. »Ich bin Akazzani. Mein ganzes bisheriges Leben habe ich gedacht, dass ich irgendwann in der Festung sterben werde. Ich habe für dich Regeln gebrochen, aber ich weiß nicht, ob ich aus freiem Willen dort fortgehen möchte. Die Menschen dort sind meine Familie, Luna. So, wie du und unsere Eltern es nicht mehr sein können.«
Luna umklammerte die Tischkante und blickte weg. Zoeys Worte hatten sie offenbar tief getroffen, und sie schien Mühe zu haben, nicht in Tränen auszubrechen. Ich wusste nicht, ob ich etwas sagen oder besser den Mund halten sollte.
Kaylin hatten keine solchen Bedenken. »Wenn Luna nicht mehr deine Familie ist, was zum Teufel machst du dann eigentlich hier? Sie scheint ja Familie genug zu sein, um für sie die Regeln zu brechen – ist sie dann nicht wichtiger als deine Kollegen?« Er trat zu Luna und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. Sie blickte erstaunt auf, doch dann erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
Zoey verengte die Augen und schien eine scharfe Bemerkung machen zu wollen, schüttelte aber schließlich nur den Kopf. »Du verstehst das falsch. Ich wollte damit nicht sagen, dass ich sie nicht mehr liebe – oder meine Eltern. Aber es gibt eine Verbindung zwischen uns Mitgliedern … Wir verpflichten uns bei unserem Eintritt in die Gesellschaft der Akazzani zu diesem Band, und gelöst wird es nur, wenn man ausgestoßen wird.«
»Streitet euch bitte nicht.« Luna seufzte. »Wenn wir das Ritual für Grieve durchführen wollen, müssen wir uns einig sein. Kaylin, bitte lass gut sein. Wenn Zoey bei den Akazzani glücklicher ist, dann soll sie dort bleiben dürfen.« Und damit schien das Thema erledigt.
Nun meldete sich Wrath wieder zu Wort. »Cicely, du musst todmüde sein. Und euch, Grieve, Chatter, Rhiannon, kann es nicht anders gehen. Ruht euch aus. Heute Abend
Weitere Kostenlose Bücher