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Winternacht

Winternacht

Titel: Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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Mondsteinanhänger, schloss die Augen und spürte, wie die Kraft darin zum Leben erwachte. Dann holte ich tief Luft, breitete die Arme aus und ließ mich nach vorn fallen.
    Der Fahrtwind pfiff an mir vorbei, und das Kribbeln im Magen entlockte mir ein Kichern, als ich mich auch schon zu verwandeln begann. Aus Armen wurden Flügel, aus Haut Federn, aus Nägeln Krallen – und dann schwebte ich. Der Aufwind hob mich hoch, und ich bemerkte plötzlich, dass ich Lachen wahrnahm.
    Ulean? Bist du das, die lacht?
    Nein, aber ich bin hier.
    Wen habe ich denn gehört?
    Die Windgeister. Sylphen. Sie tanzen um dich herum. Sie wollen spielen.
    Und wie wollen sie spielen?
    Mit eisigem Wind und trockenen Blättern.
    Und dann spürte ich sie. Ich spürte das Wirbeln ihrer Körper, den Sog der Strömungen. Ich fuhr herum und rauschte herab, tauchte durch ihre Mitte und schwang mich wieder empor. Sie lachten und umkreisten mich. Ich ritt auf der Luftströmung, schwang mich immer höher empor und kreischte laut vor Glück. Ich wollte nur noch fliegen, schweben, jagen und alles andere ignorieren. Zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich wieder richtig frei.
    Als ich im Sturzflug hinabsauste und an Rhiannon, Chatter und Grieve vorbeischoss, hörte ich sie lachen, und ich sah, wie Rhiannon staunend auf mich zeigte. Als ich wendete, entdeckte ich den Uhu – meinen Vater – auf einem Ast im Baum. Ich hörte auf zu spielen, sammelte mich und flog zu ihm. Als ich flatternd auf dem Ast neben ihm landete, spürte ich seine Jagdlust.
    Komm mit. Wir gehen jagen. Du brauchst Übung .
    Und so folgte ich ihm mit ausgebreiteten Schwingen über das weite Feld auf der Suche nach Beute. Jäger waren wir, und zwar welche, die sich gewöhnlich im Dunkeln bewegten. Vielleicht steckte in uns beiden ein wenig von Myst.

14. Kapitel
    W ir kreisten zweimal über die Wiese, als ich eine Maus erblickte und die Verfolgung aufnahm. Ich schlug kraftvoll mit den Flügeln und streckte bereits meine Krallen aus, um hinabzustoßen und mein Abendessen zu packen, als Wrath plötzlich landete und sich wieder in seine Feengestalt verwandelte. Verwirrt ließ ich die Maus entkommen, wendete, flog zu ihm zurück und landete weich.
    Jedes Mal fiel es mir leichter, mich zurückzuverwandeln. Mein Vater hatte mir gesagt, dass ich den Anhänger irgendwann nicht mehr brauchte. Im Grunde genommen war er nur ein Verstärker und hatte anfangs meine verborgene Fähigkeit hervorgelockt, aber nun, da ich mir dieser Seite in mir bewusst war, stieg auch das angeborene Wissen, was zu tun war, wieder an die Oberfläche.
    Wann immer ich mich zurückverwandelte, tauchte ich in der Hocke auf, und dieses Mal machte keine Ausnahme. Ich fiel nach vorn, stützte mich mit den Händen ab und richtete mich auf. Nackt stand ich da und wartete auf Grieve, der mit meinen Sachen über dem Arm auf mich zukam. Die befremdeten Blicke einiger Feen, die an mir vorbeispazierten, kümmerten mich nicht.
    »Was ist los? Ist mit Lainule alles in Ordnung?«, fragte ich besorgt. Vielleicht hatte sie einen Rückfall gehabt. Ich stieg in die Jeans, machte den BH zu, dann zog ich den Rollkragenpulli über. Er war zu warm für das Sommerreich, aber wir würden zurück in den Schneesturm müssen.
    »Nein, es geht ihr gut. Dank euch.« Mein Vater sah mich an, fast traurig, dann schüttelte er den Kopf. »Du und Rhiannon habt ihr das Leben gerettet. Wir wurden zurück in ihr Quartier beordert. Sie hat eine Hilfstruppe für das Treffen mit Altos zusammengestellt.«
    Ich nickte. An das mögliche Gemetzel wollte ich jetzt gar nicht denken. »Ich bin so weit. Wir können.« Ich griff nach Grieves Hand, Chatter nach Rhiannons, und wir kehrten hinter Wrath zu Lainules Quartieren zurück.
    Lainule wartete auf uns und wirkte so frisch und energiegeladen, als sei sie nie krank gewesen. Aber als Wrath ihre Hand küsste, rollte eine Träne über ihre Wange und auf seine Hand, und er hob sie an seine Lippen. Hier stimmte definitiv etwas nicht, und ich war entschlossen herauszufinden, um was es sich handelte. Jetzt jedoch war nicht der geeignete Zeitpunkt dazu – zumal sie von einem Dutzend bulliger Wachleute umgeben war.
    Es waren hartgesottene Männer, sogar ich konnte das sehen, und obwohl sie gänzlich Cambyra waren, wirkten diese Männer so tödlich wie jedes Werwesen oder jeder Yummanii. Sie trugen Rüstungen in Sonnengold und führten schwarze Dolche mit sich – Obsidian, wie meiner. Die Häufung dieses Gesteins hatte eine

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