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Winters Herz: Roman (German Edition)

Winters Herz: Roman (German Edition)

Titel: Winters Herz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Littlewood
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Wohnzimmer leer.
    »Ben!«, rief Pete und drängte sich an ihr vorbei. Ihr Vater folgte ihm. Cass ging nicht hinein. Sie konnte die Leere des Apartments   – eines hallenden, stummen Raums   – bereits spüren. Ben war nicht hier. In ihrer Magengrube nistete sich etwas Kaltes ein. Sie wich zurück, hörte noch die Stimmen Petes und ihres Vaters. Sie waren weiterhin zu hören, als Cass zur Treppe lief.
    Sie stürmte hinunter, und die Deckenleuchten im Erdgeschoss flammten auf, tauchten den Teppichboden in grelles Licht. Die Tür zu der Wohnung unter ihrer stand offen, aber Cass wusste, wohin Ben verschwunden war, noch bevor sie sie erreichte. Auf dem Teppichboden waren Schuhabdrücke zu sehen, schmutzige Abdrücke von Kinderstiefeln, jedoch nicht Bens Stiefel, sondern größere.
    Nässe und Staub hatten sich zu einer schmierigen Paste verbunden, die an ihren Schuhen haftete. Deutliche Schuhabdrücke führten ans Fenster. Das erinnerte sie an den Mittelgang in der Kirche. Sie kniete nieder. Die Puppe war noch da, war noch mit Eiklar befleckt. Die Jungenpuppe war verschwunden, mit ihrem Sohn entführt worden.
    Sie sah sich um. Diese Wohnung verrottete bereits. Hier herrschte ein durchdringender, irgendwie pilzartiger Geruch. Sie glaubte, ein Echo von jungen Stimmen, von Kinderstimmenzu hören. Von den Wänden hallte Lachen wider, kaltes, grausames Lachen.
    Sally . Waren die Jungen gekommen, um Ben zu holen, würden sie ihn in Sallys Haus gebracht haben.
    Cass stemmte sich mit zitternden Händen hoch. Als sie gehen wollte, stieß sie mit dem Fuß gegen etwas, das zuvor nicht auf dem Boden gelegen hatte: schwarze Steine, raue Brocken, die zu ihr aufstarrten. Sie bückte sich, berührte einen und zog hastig ihre Hand zurück. An den Steinen haftete etwas, das rostbraune Flocken bildete. Sie wusste, dass sie diese Steine schon mal gesehen hatte   – im Gesicht eines alten Mannes.
    Dies war ein Zeichen, eine Botschaft. Ihr Sohn war also doch nicht zu Sally gebracht worden. Sie sah aus dem Fenster, sah zu den auf allen Seiten aufragenden steilen weißen Hügeln auf. Das Moor. Sie hatten ihn zu dem gefrorenen See geschafft   – an den Ort, an dem sie ihre Opfer hinterließen.

Kapitel 36
    Pete war schweigsam, als sie der aus Darnshaw ins Moor hinaufführenden Straße folgten. Sein Gesicht war blass, sein Mund zu einer schmalen Linie zusammengekniffen. Cass wusste, was er dachte. Wie hatte sie Ben allein zurücklassen können? Wie hatte sie sich nur mit Leuten, die dies getan hatten, einlassen können? Und wie konnte sie behaupten zu wissen, was droben im Moor zu finden sein würde? Schließlich hatte sie sich selbst reichlich verrückt benommen.
    Vielleicht hatte er recht. Sie konnten die Hexensteine erreichen und dort nur eine weite ebene Fläche vorfinden, über die der Wind Flugschnee trieb. Natürlich würden sie nichts finden. Viel wahrscheinlicher war, dass Ben zu Sally gegangen war. Er hatte Vertrauen zu ihr und ihrem verschlagenen, schweigsamen Sohn. Cass drückte beide Hände auf ihre Augen. Sie musste Ben finden. Er würde dort sein. Er musste dort sein.
    Ihr Vater saß mit vorgerecktem Kinn und funkelnden Augen am Steuer. Er glaubte, er werde seinen Enkel im Moor finden. Er musste recht haben.
    Cass deutete auf die Stelle, und sie hielten gleich neben dem Zaunübertritt. Sie war sofort aus dem Wagen, riss die Fahrertür auf und half ihrem Vater beim Aussteigen. Pete sah bereits über die Mauer. Sein Atem bildete weiße Wölkchen. Hier oben hatte das Tauwetter noch nicht einmal eingesetzt. Das Moor klammerte sich mit ausgestreckten Fingern aus Gras und Heidekraut an die Kälte.
    Vor ihnen waren mehrere Fußspuren zu sehen, die im Schnee bergauf führten. Cass Herz schlug schneller. Es konnten ihre eigenen Spuren sein, die sie mit Ben oder allein zurückgelassenhatte   – aber seit sie zuletzt oben im Moor gewesen war, hatte es doch bestimmt weitere Schneefälle gegeben?
    Als sie den Aufstieg begannen, rutschte ihr Vater aus und wäre beinahe hingefallen; er winkte ihr zu, sie solle weitergehen. Pete sah sie nicht an; er blieb nur so lange stehen, bis Cass sich wieder in Bewegung setzte.
    Wenn nur Ben in Sicherheit war, spielte es keine Rolle, was irgendjemand dachte; das galt für ihren Vater, sogar für ihren Mann. Ihr ging es nur noch um ihren Sohn.
    Ihr Vater hatte das Buch verbrannt und Cass zurückgeholt, und jetzt hatte Remick ihren Sohn entführt. Aber sie durfte sich nicht gestatten, allzu viel an

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