Winters Herz: Roman (German Edition)
zuverlässiger Mann, mit dem man reden konnte. Er brachte sie zum Lachen, er brachte Ben zum Lachen. Er war ein guter Mann.
Cass gab sich zitternd einen Ruck und schwang die Beine aus dem Bett. Die Nachtluft auf ihrem Körper war kalt, als sie geräuschlos aufstand.
Am frühen Morgen duschte sie, obwohl sie fürchtete, dadurch Theo zu wecken. Aber sie konnte die Vorstellung von seinen Händen überall auf ihrer Haut, als sie über Brüste, Beine, Schultern, Schenkel und Geschlecht geglitten waren, nicht länger ertragen. Und wie ihr Herz sich verkrampft hatte, als er sie berührt hatte.
Sie duschte kalt und blieb unter dem Wasser stehen, so lange sie’s aushalten konnte.
Theo kam zu ihr, als sie auf dem Sofa saß und zu Boden starrte. Er streichelte ihr tropfnasses Haar und drückte einen leichten Kuss darauf, ohne zu sprechen. Dann ging er hinaus und kam wenig später mit einem Tablett mit Toast, Rührei und Schinken zurück. Der Geruch war ihr so widerwärtig, dass sie sich abwandte.
»Cass?«
Sie sah ihn an.
»Es war schön«, sagte er und lächelte.
»Ja. Schön.«
»Ich hatte das Gefühl, wir seien wirklich miteinander verschmolzen. Hast du das auch gespürt, Cass?«
Sie nickte.
»Alles in Ordnung mit dir? Du bist blass.«
Sie sah ihn an, sah wieder weg. »Ich bin müde. Hab nicht gut geschlafen.«
»Nein.«
»Ich muss duschen«, sagte sie und hielt dann den Atem an, weil ihr klar wurde, dass sie eben erst geduscht hatte.
»Fehlt dir bestimmt nichts?«
»Ich muss Ben holen.« Sie stand auf. Das Frühstück hatte sie nicht angerührt.
»Das kannst du nicht – er ist bei Sally, weißt du noch? Er kommt mit ihr in die Schule. Ein bisschen früh fürs Abholen, findest du nicht auch?«
»Klar doch. Natürlich.« Cass sehnte sich danach, ihren Sohn in den Armen halten, ihr Gesicht in seinem Haar vergraben zu können.
Er hat sie gesext.
Sie erschauderte, schob das Tablett weg.
Theo streckte eine Hand aus und berührte ihre Schulter. Sie fuhr zusammen. »Hab ich irgendwas falsch gemacht?«
Cass sah auf. Licht fiel durch die Vorhänge, ein neuer Tag. Ben war bei Sally, und sie war hier. Es war schön gewesen, das wusste sie. »Tut mir leid, Theo. Mir ist nicht ganz wohl. Vielleicht hab ich zu viel getrunken.«
»Ja. Vielleicht.«
»Ein Spaziergang würde mir guttun. Ein bisschen frische Luft. Am besten gehe ich nach Hause. Mir fehlt nichts, ehrlich. Ich muss nur erst richtig aufwachen.« Sie machte eine Pause. »Es war lange her. Ich bin’s nicht mehr gewöhnt, neben jemandem aufzuwachen.«
Sie fühlte Theos Blick auf sich, erwiderte ihn jedoch nicht.
»Cass, ich weiß, dass du deinen Mann verloren hast. Tut mir leid, wenn das zu früh war.«
Er hat sie gesext. Sie gesext .
»Nein, das war’s nicht; es wird Zeit, dass ich mein Leben weiterlebe. Ich hab nur nicht sehr gut geschlafen.« Diesmal erwiderte Cass seinen Blick.
»Du brauchst dich nicht schlecht zu fühlen. Dein Leben gehört allein dir.«
Sie lächelte gezwungen.
»Du hast die richtige Wahl getroffen, Cass. Du weißt es vielleicht noch nicht, aber …«
Sie stand immer noch lächelnd da. Im nächsten Augenblick hatte sie sich ihren Mantel geschnappt, ging damit die Straße entlang, schlüpfte hinein und wickelte ihn eng um sich.
Je weiter Cass das alte Pfarrhaus hinter sich ließ, desto klarer konnte sie denken. Die Luft auf ihrem nassen Haar, das sie sich jetzt aus dem Nacken strich, fühlte sich eisig an. Dass sie mit tropfnassem Haar durch die Straßen lief, musste einfach lächerlich aussehen. Was hatte sie bloß dazu gebracht, so aus dem Haus zu laufen? Theo Remick hatte nichts falsch gemacht – und er hatte recht: Es war schön gewesen.
Es war sehr schön gewesen.
Trotzdem würde sie zu Hause sofort unter die Dusche gehen, das Wasser voll aufdrehen und sich ausgiebig abbrausen. Ihre Haut kribbelte noch immer, wo er sie berührt hatte. Dass sie keinen Grund hatte, sich Vorwürfe zu machen, änderte nichts daran. Pete war nun schon lange fort; er hätte gewollt, dass sie sich ein neues Leben aufbaute. Deshalb war sie schließlich hergekommen.
Cass wünschte sich, Ben wäre bei ihr. Sie hätte die Welt aus ihrer Wohnung ausgesperrt, ihn nicht in die Schule geschickt, sich mit ihm eingeigelt. Von ihr aus konnte er den ganzen Tag lang seine grässlichen Videospiele spielen. Sie runzelte die Stirn. Nur gut, dass Ben bei Sally war. Sally würde nicht so egoistisch sein. Ihr Junge war in Darnshaw glücklich,
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