Winters Herz: Roman (German Edition)
einzige Teil von Darnshaw, der vertraut wirkt. Alte Erinnerungen, nehme ich an.«
»Wie’n Schauder, der einem übern Rück’n läuft.«
»So was in dieser Art, ja.«
»Tja, wenn Sie mal geh’n woll’n, sind Sie immer willkommen. Der Pfarrer kommt jed’n zweit’n Sonntag von Moorfoot rüber. Nächste Woche isses wieder so weit.«
Cass wollte ihm erklären, sie gehe nicht mehr in die Kirche, aber irgendetwas in seinem Blick hielt sie davon ab, und sie nickte nur. Ben kam mit dem blassgrünen Ball in der Hand und einem Leuchten in den Augen herangestürmt.
Bert nickte. »Wir woll’n weiter. Denk’n Sie daran, was ich gesagt hab. Brauch’n Sie mal was, kommen Sie zu mir. Über dem Postamt.«
Sie sahen den beiden nach, als sie gingen. Ben neben ihr keuchte noch immer. Ihr Sohn war mehr gelaufen als der Hund. Cass betrachtete den stillen Park. Wenn auch sie gingen, würde er leer sein. Das war traurig. Sie hatte Ben Kinder versprochen, mit denen er spielen konnte, jede Menge Kinder, und jetzt hatten sie nur einen alten Mann und seinen Hund gefunden.
Trotzdem lächelte ihr Sohn sie an, wobei seine Zähne blitzten. »Darf ich ihn behalten, Mom?, fragte er und hielt ihr den schmutzigen, vollgesabberten Tennisball hin.
»Natürlich.« Cass erwiderte sein Lächeln. Sie sah zum Himmel auf. Die Unterseite der Wolkendecke erschien formlos eben. Während Cass sie betrachtete, schwebten ganz kleine Schneeflocken aus ihr herab und wurden wie Asche davongetragen.
Ben streckte die Hand aus. »Es schneit!«, rief er.
Cass legte den Kopf in den Nacken und ließ die Schneeflocken auf ihr Gesicht fallen. Sie waren so winzig, dass sie kaum bemerkte, als sie auftrafen. Sie spürte nur, wie Kälte sich über ihre Haut ausbreitete.
Kapitel 4
Das Tal war teilweise in Nebelschwaden gehüllt und erinnerte an ein unvollendetes Gemälde. Der Schnee war nicht liegen geblieben, aber Cass hatte trotzdem Bens wärmste Jacke herausgelegt. Als sie ihn weckte, verzog er das Gesicht, als müsse er eine scheußliche Medizin schlucken, aber er sagte nichts. Es war Montagmorgen, und er sollte in die Schule.
Auf der Hauptstraße durchs Dorf herrschte mehr Verkehr, als Cass insgesamt seit ihrer Ankunft hier gesehen hatte. In jedem Auto saß ein Kind auf dem Beifahrersitz, Cass brauchte sich also über den Weg zur Schule keine Gedanken zu machen, weil sie einfach nur in der Kolonne mitfahren musste. Der Parkplatz war bereits voll, aber sie schaffte es, sich ganz hinten in eine Lücke neben einem schlampig geparkten Land Rover zu quetschen.
»Sorry.« Eine junge Frau mit glattem schwarzen Haar winkte ihr von der anderen Seite des Rovers aus zu. »Hab’s heute Morgen ein bisschen eilig. Ich bin Lucy.«
»Ich bin Cass. Und das ist kein Problem.« Cass sah ein kleines Mädchen, das um die Motorhaube des Land Rovers herumspähte und lächelte der Kleinen zu, während sie Ben aussteigen ließ. Sie stellte ihren Sohn vor.
»Das ist Jessica«, sagte Lucy. »Ihr werdet sicher gute Freunde. Jess, du könntest auf Ben aufpassen, weil er doch neu ist. Willst du nicht mit ihm reingehen?«
»Wir haben erst einen Termin bei Mrs. Cambrey«, erklärte Cass. »Aber ihr könntet später miteinander spielen, nicht wahr?«
Jessica nickte. Sie war ein paar Zentimeter kleiner als Ben und ein Mädchen – er freundete sich nicht oft mit Mädchen an. Cass sah, wie ihr Sohn die Unterlippe vorschob. Nun, sie hatten esversucht, und wer konnte schon wissen, wie so etwas ausging? Vielleicht vertrugen die beiden sich trotzdem gut.
»Mrs. Cambrey ist echt nett«, sagte Lucy. »Tja, ich muss weiter.« Sie beobachtete, wie Jessica sich auf den Weg zu der zweiflügligen Eingangstür machte, und winkte, bevor sie in den Land Rover stieg.
»Gut«, sagte Cass in bemüht positivem Tonfall. »Die Rektorin scheint schon mal in Ordnung zu sein, nicht wahr, Ben? Also los!«
Die Eingangshalle war düster, selbst wenn man aus diesem grauen Morgen kam. Während Cass sich zu orientieren versuchte, sah sie, dass die Wände mit Kindermalereien bedeckt waren. Fröhliche Farbkleckse, die dort im Halbdunkel leuchteten, und Cass nahm schwach den Geruch von Plakatfarbe wahr.
Sie gingen an Klassenzimmern vorbei, in denen Kinder lachend und schwatzend ihre Jacken aufhängten. Das Schulgebäude war ebenerdig, und Cass konnte Büros am Ende des Korridors sehen. An einer Tür stand Lehrerzimmer , an einer anderen Schulleitung und darunter Mrs. Cambrey .
Cass klopfte an und klopfte
Weitere Kostenlose Bücher