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Wintersturm

Titel: Wintersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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und er wandte den Kopf zur Seite.
    Verdammtes Pech. Im Vorbeifahren gelang ihm ein kurzer Seitenblick auf den Fahrer des anderen Wagens; unter einem verbeulten Hut zeichneten sich silhouettenhaft eine scharfe Nase und ein schmales Kinn ab. Der andere Fahrer schien aber nicht einmal seinen Kopf zur Seite zu drehen.
    Ganz flüchtig hatte er das Gefühl, diesem Mann schon irgendwo begegnet zu sein: wahrscheinlich jemand vom Kap, der gar nicht bemerkt hatte, daß der Kombiwagen für den er die Geschwindigkeit vermindert hatte, aus dem engen Feldweg vom Grundstück der Eldredges gekommen war. Die meisten Menschen waren nicht sehr aufmerksam. In ein paar Minuten würde sich dieser Mann wahrscheinlich kaum noch daran erinnern, daß er kurz das Gas weggenommen hatte, um einen anderen Wagen wenden zu lassen.
    Er beobachtete den Dodge im Rückspiegel, bis er verschwunden war. Mit einem zufriedenen Grunzen stellte er den Spiegel so ein, daß er den Segeltuchmantel auf der: Ladefläche hinten reflektierte. Man mußte den Eindruck haben, daß der Mantel nachlässig über Angelgerät geworfen war. Zufrieden klappte er den Spiegel zurück, ohne noch einmal hineinzublicken. Wenn er es getan hätte, wäre ihm wohl nicht entgangen, daß der Wagen, den er gerade noch beobachtet hatte, langsamer fuhr und zurücksetzte.
    Vier Minuten nach zehn betrat er Wiggins’ Market und brummte einen Gruß. Dann langte er ins Kühlfach nach einem halben Liter Milch.
    5
    Nancy stieg die steile Treppe herab. Schwankend versuchte sie Gleichgewicht zu halten, die Arme vollgepackt mit Handtüchern und Bettzeug, mit Pyjamas und Unterwäsche.
    Einer plötzlichen Regung folgend, hatte sie sich entschlossen zu waschen; die Wäsche konnte noch draußen trocknen, ehe der Sturm losbrach. Der Winter war jetzt da. Er hatte den Rand des Hofes erreicht und riß die letzten dürren Blätter von den Bäumen, und er legte sich auf den Feldweg, der jetzt so hart wie Beton geworden war. Die Farben der Bucht verwandelte er in ein rauchiges Graublau.
    Draußen braute sich der Sturm zusammen. Hier aber schien noch ein wenig die Sonne, und das wollte sie ausnutzen. Sie liebte den Duft frischer Bettwäsche, die draußen getrocknet war, sie zog sie sich gern vors Gesicht, wenn sie langsam einschlief, mit dem leichten Aroma von Preiselbeeren und Kiefern und dem salzigen Duft des Meeres, einem Aroma, das so ganz anders war als der gemeine, naßkalt-dumpfige Geruch der Gefängniswäsche. Sie stieß den Gedanken von sich.
    Als sie den Treppenfuß erreichte, wollte sie schon auf die Hintertür zugehen. Doch plötzlich hielt sie ein. Ach Dummheit! Mit den Kindern war alles in Ordnung. Sie waren doch erst seit einer Viertelstunde draußen. Sie mußte diese wahnsinnige Angst, die ihr ständiger Begleiter war, einfach überwinden. Schon jetzt hatte sie den Verdacht, daß Missy es ahnte und für ihre allzu große Fürsorge empfänglich war. Sie würde die Maschine anstellen und dann die Kinder hereinrufen.
    Während sie sich dann im Fernsehen die 10.30 Uhr-Sendung ansahen, konnte sie noch eine Tasse Kaffee trinken und einen Blick in den Lokalanzeiger von Cape Cod werfen. Jetzt, wo die Saison vorüber war, konnte man vielleicht günstig – nicht zu Touristenpreisen – ein paar Antiquitäten kaufen. Sie suchte nach einem altmodischen kleinen Sofa für die gute Stube – so eines mit einem hohen Rücken, das man im achtzehnten Jahrhundert Lehnbank genannt hatte.
    In dem kleinen Waschraum, den man von der Küche aus erreichte, sortierte sie die Wäsche, warf das Bettzeug und die Handtücher in die Maschine, füllte Waschmittel und Bleichpulver ein und drückte schließlich auf den Knopf für den Waschgang.
    Nun war es aber wirklich Zeit, die Kinder zu rufen. Doch an der Haustür machte sie noch einen kleinen Umweg. Soeben war die Zeitung gekommen. Der Zeitungsjunge verschwand gerade um die Straßenkurve. Sie hob die Zeitung auf, erschauerte vor dem aufkommenden Wind und eilte in die Küche. Sie stellte den Brenner unter der noch lauwarmen Kaffeekanne an und blätterte die Zeitung hastig bis zum zweiten Teil durch, begierig, einen Blick auf die Kleinanzeigen zu werfen.
    Ihr Blick blieb erstarrt an der knalligen Überschrift und den Bildern hängen – all den Bildern von ihr und Carl und Rob Legler; einem von ihr mit Peter und Lisa… so wie sie sich immer an sie gekuschelt hatten, zutraulich und anhänglich. Es toste ihr in den Ohren; sie erinnerte sich deutlich daran, wie sie für das

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