Wintersturm
auszugraben und zu veröffentlichen, ist auch fähig, die Kinder zu entführen.«
»Selbstverständlich gehen wir dieser Sache nach. Diese Berichte sind immer mit einem fingierten Namen aus der Redaktion signiert, aber in Wirklichkeit sind die Artikel Beiträge freier Mitarbeiter, die bei Annahme des Artikels ein Honorar von fünfundzwanzig Dollar erhalten.«
»Gut, aber wer ist nun der Verfasser?«
»Das eben haben wir herauszufinden versucht«, erwiderte Jed. Es klang zornig. »In dem Begleitbrief hieß es, daß der Artikel nur unter der Bedingung angeboten würde, daß ihn die Redaktion, wenn sie ihn annahm, nicht im geringsten veränderte, daß alle dazugehörigen Bilder veröffentlicht würden, und daß er genau am siebzehnten November zu erscheinen hätte – also heute. Der Redakteur sagte mir, daß er die Story nicht nur für gut geschrieben, sondern auch für spannend hielt. Offen gesagt, er hielt sie für so gut, daß er der Meinung war, der Verfasser sei ein Esel, weil er sie für lausige fünfundzwanzig Dollar überlassen habe. Aber das hat er ihm natürlich nicht gesagt. Er diktierte einen Brief, in dem er die Bedingungen akzeptierte und einen Scheck beifügte.«
Jed griff in seine Gesäßtasche nach seinem Notizbuch und klappte es auf. »Der Brief mit der Annahmebestätigung trägt das Datum vom achtundzwanzigsten Oktober. Die Redaktionssekretärin erinnert sich, daß am neunundzwanzigsten Oktober jemand telefonisch angefragt hat, ob über den Harmon-Artikel schon eine Entscheidung getroffen worden sei. Die Leitung war sehr gestört, und die Stimme so gedämpft, daß sie den Anrufer kaum hören konnte, aber sie sagte ihm –
oder ihr –, daß in dem Brief ein Scheck sei, postlagernd Hauptpostamt Hyannis Port. Der Scheck wurde auf den Namen J. R. Penrose ausgestellt. Am nächsten Tag wurde er abgeholt.«
»Mann oder Frau?« fragte Ray sofort.
»Das wissen wir nicht. Sie wissen ja selbst, daß eine Stadt wie Hyannis Port auch zu dieser Jahreszeit noch von einer beachtlichen Zahl von Touristen besucht wird. Jeder, der beim Hauptpostamt irgend etwas abholen möchte, braucht nur danach zu fragen. Kein Angestellter scheint sich an diesen Brief zu erinnern, und bis jetzt ist der Fünfundzwanzig-Dollar-Scheck auch noch nicht eingelöst worden. Wir können die Spur bis zu J. R. Penrose zurückverfolgen, wenn es den überhaupt gibt. Offen gesagt, es würde mich nicht sehr überraschen, wenn sich am Ende herausstellt, daß der Verfasser eine unserer kleinen Damen aus der Stadt ist. Sie sind nämlich unübertrefflich, wenn sie so in Klatsch und Tratsch herumwühlen können.«
Ray blickte unverwandt in den Kamin. »Es ist kühl hier drin«, sagte er. »Ein bißchen Wärme täte gut.« Sein Blick fiel auf die Kameen auf dem Kaminsims, die Nancy von Michael und Missy angefertigt hatte, als sie noch Babys waren. Er würgte an dem bitteren Kloß, der ihm plötzlich die Kehle zuschnürte.
»Ich glaube nicht, daß Sie jetzt wirklich ein Feuer brauchen, Ray«, sagte Jed ruhig. »Ich bat Sie lediglich, hier hereinzukommen, weil ich möchte, daß Sie Nancy dazu bewegen, sich anzuziehen und mit uns zur Polizeistation zu kommen.«
»Nein… nein… bitte…« Captain Coffin und Ray fuhren herum und blickten zu der Bogentür, die in das Zimmer führte.
Nancy stand da. Mit einer Hand hielt sie sich an dem geschnitzten Türrahmen fest. Ihr Haar war getrocknet, und sie hatte es zu einem Knoten gebunden und diesen locker im Nacken befestigt. Die Anspannungen der verflossenen Stunden hatten ihre Hautfarbe in ein kalkiges Weiß verwandelt, das durch das dunkle Haar noch hervorgehoben wurde. Langsam trat ein fast entrückter Ausdruck in ihre Augen.
Dorothy stand hinter ihr. »Sie wollte hereinkommen.«
Dorothys Worte klangen wie eine Rechtfertigung.
Sie spürte den Vorwurf in Rays Augen, als er zu ihnen herübereilte. »Ray, es tut mir leid. Sie ließ sich nicht zurückhalten.«
Ray zog Nancy an sich. »Es ist schon gut, Dorothy«, sagte er kurz. Seine Stimme schlug um und wurde zärtlich. »Liebling, beruhige dich nur. Niemand wird dir etwas tun.«
Dorothy spürte das Abweisende in seiner Stimme. Er hatte sich darauf verlassen, daß sie Nancy fernhalten würde, solange er mit dem Captain sprach. Nicht einmal dazu war sie imstande. Sie war hier zu nichts zu gebrauchen – zu nichts zu gebrauchen. »Ray«, sagte sie steif. »Ich weiß, es ist sehr unpassend, Sie jetzt damit zu belästigen, aber das Büro hat gerade
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