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Wintersturm

Titel: Wintersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Stadt Skizzen anfertigte, doch er hätte sich nie träumen lassen, daß sie Talent hatte. Die meisten Frauen, die er kannte, landeten, wenn sie sich mit solchen Faxen abgaben, gewöhnlich an einem Punkt, an dem sie sich etwas einrahmten, das wie ein Stück vom Jahrmarkt aussah.
    Eingebaute Bücherschränke rahmten den Kamin ein. Die Tische waren aus schwerem, altem, abgelagertem Kiefernholz gefertigt und glichen den Möbeln, die Delia nach dem Tode seiner Großmutter dem Wohltätigkeitsbasar der Kirche gestiftet hatte. Zinnlampen wie die von Großmutter standen auf den niedrigen Tischen vor dickgepolsterten Sesseln. Die Rückenlehne und das Kissen auf dem Schaukelstuhl neben dem Kamin waren handgestickt.
    Er fühlte sich ein wenig unbehaglich, als er diesen Raum mit seinem eigenen, erst vor kurzem tapezierten Wohnzimmer verglich. Für die Couch und die Sessel hatte Delia schwarzes Vinyl ausgesucht; eine Tischplatte aus Glas auf Stahlfüßen; das ganze Zimmer mit Teppichware ausgelegt – ein dickes zotteliges Material, das an den Schuhen hängenblieb. Jeder Speicheltropfen und Urinflecken, den sein noch nicht stubenreiner Dackel darauf hinterließ, wurde getreulich konserviert und verewigt.
    »Was wünschen Sie, Captain?« Rays Stimme war kalt und unfreundlich. Der Captain wußte, daß er in Rays Augen ein Feind war. Ray hatte seinen routinemäßigen Hinweis Nancy gegenüber, bezüglich ihrer Rechte, durchschaut. Ray wußte genau, was er dachte, und stellte sich zum Kampf. Nun gut, wenn er also Kampf wollte…
    Aufgrund seiner Erfahrungen, die er bei zahllosen ähnlichen Gelegenheiten gesammelt hatte, bereitete es Jed Coffin keine Schwierigkeit, sofort Rays schwachen Punkt herauszufinden, und da hakte er ein: »Wer ist der Anwalt Ihrer Frau, Ray?«
    fragte er kurz.
    Ein Anflug von Unsicherheit, eine Versteifung der Körperhaltung verriet die Antwort. Es war so, wie Jed erwartet hatte. Ray hatte den entscheidenden Schritt noch nicht unternommen. Versuchte immer noch, so zu tun, als sei seine Frau die tief verstörte Mutter von zwei verschwundenen Kindern. Du lieber Himmel, vielleicht wollte Ray sie heute abend in den Fernseh-Nachrichten auftreten lassen, – ein zerknülltes Taschentuch in den Händen, mit geschwollenen Augen und beschwörender Stimme: ›Gebt mir meine Kinder zurück.‹
    Nun, Jed konnte Ray etwas erzählen! Dieses Schauspiel hatte seine reizende kleine Frau schon einmal aufgeführt. Jed konnte Kopien jenes sieben Jahre alten Films bekommen, den die Zeitungen ›einen rührenden Appell‹ genannt hatten. Vor nur einer halben Stunde, während ihres Telefongesprächs, hatte der Stellvertretende Bezirksstaatsanwalt in San Francisco nämlich ihm tatsächlich angeboten, eine Kopie zu beschaffen.

    »Dann kann es sich dieses Weibsstück ersparen, die gleiche Komödie noch einmal aufzuführen«, hatte er gesagt.
    Ray sprach sehr ruhig, seine Stimme klang jetzt viel gedämpfter. »Wir haben noch keinen Anwalt verpflichtet«, sagte er. »Ich habe gehofft, daß vielleicht… wo alle noch suchen…«
    »Wir werden die Suche schon bald zum größten Teil einstellen müssen«, sagte Jed platt heraus. »Bei diesem Wetter wird bald kein Mensch mehr in der Lage sein, etwas zu sehen.
    Außerdem muß ich Ihre Frau zum Verhör mit auf die Wache nehmen. Und wenn Sie sich bis jetzt noch nicht um einen Anwalt gekümmert haben, werde ich veranlassen, daß das Gericht einen für sie bestimmt.«
    »Das können sie nicht tun!« brach es wütend aus Ray heraus.
    Aber sofort bemühte er sich, die Beherrschung wiederzuerlangen: »Ich will damit sagen, daß Sie Nancy umbringen würden, wenn Sie sie in die Atmosphäre eines Polizeireviers brächten. Jahrelang hatte sie Alpträume, und es waren immer die gleichen: daß sie sich auf einem Polizeirevier befand und verhört wurde, und daß man sie dann einen langen Korridor entlangführte zur Leichenhalle, damit sie ihre Kinder identifizierte. Mein Gott, Mann, sie steht ja jetzt im Augenblick noch unter einem tiefen Schock. Legen Sie es etwa darauf an, sie so weit zu bringen, daß sie am Ende wirklich nicht in der Lage ist, uns zu sagen, was sie möglicherweise gesehen hat?«
    »Ray, es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß Ihre Kinder wiedergefunden werden.«
    »Ja, aber Sie sehen doch, was allein dieser verfluchte Artikel bei ihr angerichtet hat. Und was ist das überhaupt für ein Schweinehund, der den Artikel geschrieben hat? Jemand, der so infam ist, diese Geschichte

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