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Wintersturm

Titel: Wintersturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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warmes, entzückendes Lächeln, das einen gefangennahm. Die Kinder waren bei ihr –
    freundliche, höfliche Kinder, alle beide. Der Junge hatte dann gesagt: »Du, Mami, ich hole die Cornflakes«, doch als er danach griff, hatte er eine Pyramide von Suppendosen umgestoßen.
    Der Lärm bewirkte, daß alle im Laden herbeigerannt kamen, sogar Lowery selbst, ein mürrischer, unangenehmer Mensch.
    Vielen jungen Müttern wäre das vielleicht peinlich gewesen, und sie hätten das Kind ausgeschimpft. Jonathan hatte voller Bewunderung beobachtet, wie Nancy ganz gelassen sagte:
    »Entschuldigen Sie bitte, Mr. Lowery. Das war keine böse Absicht. Wir bringen das sofort wieder in Ordnung.«
    Dann sagte sie zu dem kleinen Jungen, der ganz verschreckt und ängstlich aussah: »Keine Angst, Mike. Du wolltest das ja nicht. Komm! Wir stellen sie wieder auf.«
    Auch Jonathan hatte geholfen, die Dosen wieder aufzustapeln, nachdem er vorher Lowery einen drohenden Blick zugeworfen hatte, der offenbar gerade eine Bemerkung machen wollte. Es war kaum zu glauben, daß die gleiche, rücksichtsvolle Frau heute vor sieben Jahren vorsätzlich ihre beiden anderen Kinder getötet hatte – Kinder, denen sie das Leben geschenkt hatte.
    Aber Leidenschaft war ein starkes Motiv, und sie war sehr jung gewesen. Vielleicht war gerade ihre Teilnahmslosigkeit während des Prozesses ein Schuldbekenntnis gewesen, selbst wenn sie sich nicht dazu durchringen konnte, solch ein abscheuliches Verbrechen offen einzugestehen. Er hatte so etwas auch schon erlebt.
    Es klingelte an der Tür. Jonathan erhob sich aus seinem Sessel. Er war überrascht. Es gab nur wenige Menschen am Kap, die unangemeldet zu Besuch kamen, und Hausieren war absolut verboten.
    Als er zur Tür ging, merkte Jonathan, daß er vom Sitzen ganz steif geworden war. Er stellte erstaunt fest, daß sein Besucher ein Polizeibeamter war, ein junger Mann, dessen Gesicht er, wie er sich schwach erinnerte, irgendwann in einem Streifenwagen gesehen hatte. Er will sicherlich irgendwelche Lose verkaufen, war Jonathans erster Gedanke, aber er schob diese Überlegung sofort beiseite. Der junge Beamte folgte seiner Einladung und trat ein. In seinem Benehmen lag etwas Frisch-Forsches, doch zugleich auch Gewichtiges. »Sir, es tut mir leid, Sie stören zu müssen, aber wir stellen gerade Ermittlungen über das Verschwinden der Eldredge-Kinder an.«
    Während Jonathan ihn noch fassungslos anstarrte, zog er ein Notizbuch heraus. Seine Blicke schossen in dem aufgeräumten Hause umher. »Sie wohnen doch allein hier, Sir, nicht wahr?«
    begann er die Befragung.
    Ohne zu antworten, langte Jonathan an ihm vorbei und öffnete die schwere Haustür. Jetzt erst bemerkte er die unbekannten Fahrzeuge, die die Straße zum See hinabführen, und die Männer mit den verbissenen Gesichtern, die in ihrem schweren Regenzeug die Umgebung durchkämmten.
    12
    »Trinken Sie das, Nancy. Ihre Hände sind so kalt. Es tut Ihnen bestimmt gut. Sie müssen doch wieder zu Kräften kommen.«
    Dorothy versuchte, ihr gut zuzureden. Aber Nancy schüttelte den Kopf. Dorothy stellte die Tasse auf den Tisch und hoffte, daß das Aroma des frischen Gemüses, das in einer würzigen Tomatensuppe brodelte, Nancy doch noch verlocken würde.
    »Das habe ich gestern gekocht«, sagte Nancy mit ausdrucksloser Stimme, »zum Mittagessen für die Kinder. Die Kinder sind bestimmt hungrig.«
    Ray saß dicht neben ihr. Er hatte seinen Arm schützend um die Lehne ihres Stuhls gelegt. Vor ihm stand ein Aschenbecher voller ausgedrückter Zigaretten.
    »Quäl dich doch nicht selbst, Liebes«, sagte er ruhig.
    Von draußen, durch das Klappern der Rolläden und Fensterscheiben hindurch, konnten sie das stakkatohafte Geräusch tief fliegender Hubschrauber hören.
    Ray beantwortete die Frage, die er in Nancys Gesicht las.
    »Sie haben drei Hubschrauber eingesetzt, mit denen sie die Umgebung absuchen. Wenn die Kinder sich nur verlaufen haben, werden sie sie entdecken. Aus allen Städten hier am Kap sind jetzt Freiwillige hier. Über der Bucht und dem Sund suchen zwei Flugzeuge. Alle helfen.«
    »Und im See sind Taucher«, sagte Nancy, »die nach den Leichen meiner Kinder suchen.« Ihre Stimme klang geistesabwesend und monoton.

    Nachdem er den Nachrichtendiensten seine Erklärung abgegeben hatte, war Captain Coffin zur Polizeistation zurückgekehrt, um eine Reihe von Telefongesprächen zu führen. Als er damit fertig war, fuhr er zum Eldredge-Haus zurück. Er hörte gerade

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