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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Forty-fourth Street auf die Fifth Avenue trifft, herrschte mittägliches Gewimmel. Glitzernd warf die reiche, glückstrahlende Sonne ihr flüchtiges Gold durch die dicken Fensterscheiben der eleganten Geschäfte auf silbergewirkte Handtäschchen und Geldbörsen, Perlenketten in grauen Samtetuis, Fächer aus buntschillernden Federn, auf die Spitzenbesätze und Seidenstoffe kostbarer Roben, auf die schlechten Gemälde und die feinen Stilmöbel in den kunstreich gestalteten Ausstellungsräumen der Innenausstatter.
    Teils zu zweit, teils auch in kleinen Gruppen oder ganzen Schwärmen schlenderten berufstätige junge Mädchen an den Auslagen vorüber und suchten sich in diesem oder jenem prächtig dekorierten Schausalon ihre künftige Schlafzimmereinrichtung aus, einschließlich des traut auf dem Bett drapierten seidenen Herrenschlafanzugs. Vor den Juwelierläden blieben sie stehen, um sich ihre Verlobungsringe auszuwählen, ihre Eheringe und Platinarmbanduhren, und dann zogen sie weiter und nahmen die Federfächer und Operntoiletten in Augenschein und verdauten währenddessen die Sandwichs und Eisbecher, die sie zu Mittag gegessen hatten.
    Allenthalben in der Menge sah man Männer in Uniform, Matrosen von der Großen Weißen Flotte, die auf dem Hudson vor Anker lag, Soldaten mit Divisionsabzeichen von Massachusetts bis Kalifornien, die sich nichts sehnlicher wünschten, als irgendwie aufzufallen, und die erkennen mussten, dass die große Stadt Soldaten gründlich über hatte, sofern sie nicht hübsch ordentlich in Reih und Glied, Tornister und Gewehre schleppend, einhermarschierten.
    Durch dieses buntgemischte Treiben bahnten sich Dean und Gordon also ihren Weg, Ersterer höchst interessiert und sichtlich belebt durch dieses heftig wogende, schillernde Menschengewühl, derweil Letzterer daran denken musste, wie oft er selbst so in der Menge aufgegangen war, ein müder, überarbeiteter Bursche, der sich verzettelte und für den regelmäßige Mahlzeiten ein Fremdwort waren. Für Dean war das Gedränge verheißungsvoll, fröhlich und jung; für Gordon aber war es trostlos, sinnlos, endlos.
    Im Yale Club trafen sie eine Gruppe von Kommilitonen, die Dean, den Gast von weit her, lautstark begrüßten. Man lümmelte im Halbkreis auf Chaiselongues und in tiefen Sesseln und schlürfte seinen Highball.
    Für Gordon war die Unterhaltung nur ein ermüdendes, nicht enden wollendes Geplapper. Sie aßen alle zusammen Mittag, und als der Nachmittag hereinbrach, war die ganze Truppe schön durchgewärmt vom Alkohol. Am Abend wollten sie gemeinsam auf den Gamma-Psi-Ball gehen, denn der versprach, die beste Party seit dem Krieg zu werden.
    »Edith Bradin kommt auch«, sagte jemand zu Gordon. »Ist das nicht ’ne alte Flamme von dir? Seid ihr nicht beide aus Harrisburg?«
    »Ja.« Er versuchte, das Thema zu wechseln. »Ihren Bruder treff ich manchmal. Das ist einer von diesen spinnerten Sozialisten. Gibt so was wie ’ne Zeitung raus hier in New York.«
    »Nicht so wie seine lebenslustige Schwester, was?«, fiel ihm sein Informant beflissen ins Wort. »Na, heute Abend kommt sie jedenfalls mit einem Burschen aus dem vorletzten Semester, Peter Himmel heißt er.«
    Um acht war Gordon mit Jewel Hudson verabredet – er hatte ihr versprochen, dass er Geld mitbringen würde. Immer wieder schaute er nervös auf seine Armbanduhr. Um vier stand Dean zu seiner Erleichterung auf und erklärte, er wolle jetzt zu Rivers Brothers rüber und ein paar Kragen und Krawatten kaufen. Doch als sie den Club verließen, schloss sich ihnen zu Gordons Entsetzen einer der anderen an. Dean war inzwischen ganz jovial gestimmt, fröhlich, voller Vorfreude auf das Tanzvergnügen am Abend, ja fast ein bisschen übermütig. Bei Rivers suchte er ein Dutzend Krawatten aus, nicht ohne sich bei einer jeden ausgiebig mit dem anderen Mann beraten zu haben. Ob dieser ebenfalls der Ansicht sei, dass schmale Schlipse wieder in Mode kämen? Und ob es denn nicht eine Schande sei, dass Rivers keine Kragen von Welch Margetson mehr führe? Es gebe einfach keinen besseren Kragen als den »Covington«.
    Gordon wurde allmählich nervös. Er brauchte das Geld, und zwar sofort. Und er bekam nach und nach Lust, auch mit auf den Gamma-Psi-Ball zu gehen. Er wollte Edith wiedersehen – Edith, die er das letzte Mal an jenem romantischen Abend in Harrisburg im Country Club gesehen hatte, unmittelbar vor seiner Abreise nach Frankreich. Ein kleines Techtelmechtel, das gestorben war, untergegangen

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