Winterträume
wissen, dass du’s nicht gleich wieder für die nächste Frau ausgibst?«
»Musst du mir das immerzu unter die Nase reiben?«, sagte Gordon leise.
»Ich reib dir doch nichts unter die Nase. Es tut mir in der Seele weh, dich so zu sehen.«
»Kannst du mir’s denn nun leihen oder nicht, Phil?«
»So mir nichts, dir nichts kann ich das nicht entscheiden. Es ist ja schließlich eine Menge Geld, und, verflixt noch mal, für mich wär das mit allerlei Ungelegenheiten verbunden.«
»Und für mich wär’s schlicht die Hölle, solltest du’s nicht können – ich weiß, ich winsele hier herum, und dabei bin ich ja an allem selber schuld – aber das ändert doch nichts an der Sachlage.«
»Wann könntest du es mir denn wiedergeben?«
Das klang nicht sehr ermutigend. Gordon dachte nach. Wahrscheinlich war es das Klügste, ganz ehrlich zu sein.
»Ich könnte dir natürlich versprechen, dass ich’s dir nächsten Monat zurückschicke, aber – ich sag es dir ganz unumwunden, besser wär in drei Monaten. Sobald ich’s schaffe, die ersten Zeichnungen zu verkaufen.«
»Und woher weiß ich, ob du überhaupt jemals irgendwelche Zeichnungen verkaufst?«
In Deans Stimme lag eine ungewohnte Härte, die in Gordon Zweifel weckte und ihn frösteln machte. Konnte es denn möglich sein, dass er das Geld doch nicht bekam?
»Ich dachte immer, du hättest ein klein wenig Vertrauen zu mir.«
»Hatte ich ja auch – aber wenn ich dich so ansehe, dann kommen mir da doch gewisse Zweifel.«
»Ja, meinst du denn, ich würde mich mit so was an dich wenden, wenn ich nicht vollends in der Tinte sitzen würde? Glaubst du, mir macht das Spaß?« Er schwieg und biss sich auf die Unterlippe, denn er merkte, dass es besser war, den aufkeimenden Groll zu unterdrücken, der nach und nach in seinen Worten mitschwang. Schließlich war er der Bittsteller.
»Du machst dir’s ganz schön leicht«, fuhr Dean ihn an. »Du drehst die Sache einfach so, dass ich mir wie ein Schuft vorkommen muss, wenn ich dir dieses Geld nicht gebe – oh ja, das tust du wohl. Aber lass dir gesagt sein, dass es für mich durchaus kein Kinderspiel ist, dreihundert Dollar aufzutreiben. So hoch ist mein Einkommen nämlich nicht, dass mich ein solcher Batzen nicht in Teufels Küche bringen könnte.«
Damit erhob er sich aus seinem Sessel und fing an, sich anzuziehen, wobei er jedes Kleidungsstück mit großer Sorgfalt wählte. Gordon breitete die Arme aus, umklammerte die Bettkanten und kämpfte das Verlangen nieder, laut aufzuschreien. Ihm schwirrte der Kopf, sein Schädel wollte schier zerspringen, die Zunge klebte ihm am Gaumen, er hatte einen bitteren Geschmack im Mund und hatte ein Gefühl, als jagte ihm das Fieber das Blut in raschen Stößen durch die Adern, wie Sturzbäche von Regenwasser, die durch die Dachrinne hinunterrauschen.
Dean knüpfte unterdessen akkurat seinen Krawattenknoten, bürstete sich die Augenbrauen und tupfte sich mit feierlichem Ernst einen Tabakkrümel von den Zähnen. Dann füllte er sein Zigarettenetui, warf die leere Schachtel gedankenverloren in den Papierkorb und steckte das Behältnis in die Westentasche.
»Schon gefrühstückt?«, fragte er
»Nein; das Frühstücken hab ich mir abgewöhnt.«
»Na schön, dann gehn wir jetzt erst mal was essen. Und das mit dem Geld, das entscheiden wir später. Ich bin das Thema leid. Schließlich bin ich hergekommen, um mir ein paar schöne Tage zu machen. Komm, wir gehn rüber in den Yale Club«, fuhr er mürrisch fort, um dann verhalten vorwurfsvoll hinzuzufügen: »Du hast ja deine Stellung aufgegeben. Du hast doch weiter nichts zu tun.«
»Ich müsste nur das nötige Kleingeld haben, dann hätte ich eine Menge zu tun«, sagte Gordon spitz.
»Himmelherrgott, kannst du dieses Thema nicht mal eine Weile ruhen lassen? Es hat doch keinen Sinn, mir die ganze Reise zu vergällen. Hier, da hast du dein Kleingeld.«
Er zog einen Fünfdollarschein aus der Brieftasche und schob ihn Gordon hin, der ihn sorgsam zusammenfaltete und in die Tasche steckte. Dabei vertiefte sich das Rot auf seinen Wangen noch, und dieses heftigere Glühen – es kam nicht vom Fieber. Ehe sie sich zum Gehen wandten, begegneten sich ihre Blicke einen winzigen Moment lang, und in diesem winzigen Moment entdeckten beide etwas, das sie dazu bewog, die Augen ganz schnell niederzuschlagen. Denn in diesem winzigen Moment erkannten beide unversehens, dass sie einander ohne jeden Zweifel hassten.
II
An der Ecke, wo die
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