Winterträume
verdutzter Kellner zu einem abseitsstehenden Ecktisch geleitete. Ratlos studierten sie die Speisekarte und gingen verwundert brabbelnd ein Gericht nach dem anderen durch.
»Ich seh hier nix von Alkoholüka«, sagte Peter tadelnd.
Da ließ sich der Kellner vernehmen, konnte sich ihnen aber leider nicht verständlich machen.
»Wiederholnses doch nochma«, fuhr Peter geduldig und mit Nachsicht fort, »auf dieser Speisekarte hier steht ebenso unerklärlicher- wie ganz und gar abscheulicherweise überhaupt nix von Alkoholüka.«
»Momentma!«, sagte Dean voll Selbstvertrauen. »Ich mach das schon.« Er wandte sich dem Kellner zu: »Bringse ons – bringse ons« – er sah die ganze Speisekarte durch – »bringense ons eine Flasche Champagner ond ein – ein – ein Schinkensandwich, möcht ich meinen.«
Der Kellner guckte skeptisch.
»Na, nun machense schon!«, röhrten Mr. In und Mr. Out im Chor.
Hüstelnd zog der Kellner ab. In der kurzen Wartezeit, die darauf eintrat, unterzog sie der Oberkellner, von ihnen unbemerkt, einer höchst gestrengen Musterung. Dann kam der Champagner, und bei seinem Anblick brachen Mr. In und Mr. Out in Freudengeschrei aus.
»Stellnse sichma vor, die hätten sich geweigert, ons Champagner zom Fröhstöck zo bring – stellnse sich das bloßma vor.«
Die beiden richteten ihre ganze Aufmerksamkeit darauf, sich die Vision einer so grauenhaften Möglichkeit vor Augen zu führen, was freilich über ihre Kräfte ging. Nicht einmal mit vereinter Anstrengung der Phantasie gelang es ihnen, sich eine Welt auszumalen, in der jemand jemandem den Champagner zum Frühstück verweigert. Der Kellner zog mit einem gewaltigen Knall den Korken, und schon perlte in ihren Gläsern das blassgelbe, prickelnde Nass.
»Auf Ihre Gesondheit, Mr. In.«
»Und auf Ihre, Mr. Out.«
Der Kellner zog sich zurück; die Minuten verstrichen; der Champagner in der Flasche nahm rapide ab.
»Das ist ja eine – eine Zomotong ist das ja«, sagte Dean auf einmal.
»Zomotong? Was denn?«
»Na, der Gedanke, dass man uns den Champagner zum Fröhstöck verweigert.«
»Zomotong?«, überlegte Peter. »Ja, das is das rechte Wort – eine Zomotong.«
Abermals brachen sie in Gelächter aus, johlten, schwankten hin und her, bogen sich auf ihren Stühlen und wiederholten ein ums andere Mal das Wort »Zomotong«, das ihnen mit jeder neuen Wiederholung nur immer noch ein Stückchen absurder vorkam.
Ein paar Minuten genossen sie noch ihre gute Laune, dann beschlossen sie, eine zweite Flasche zu bestellen. Ihr besorgter Kellner konsultierte darob seinen unmittelbaren Vorgesetzten, und dieser umsichtige Mensch erteilte die strikte Anweisung, keinen Champagner mehr zu servieren. Stattdessen brachte man ihnen die Rechnung.
Fünf Minuten später verließen sie Arm in Arm das Commodore und schlenderten unter den neugierigen Blicken der gaffenden Menge erst die Forty-second Street und dann die Vanderbilt Avenue entlang bis zum Hotel Biltmore. Dort angekommen, ergriffen sie ganz raffiniert die Gelegenheit und durchquerten rasch und unnatürlich aufrecht das Foyer.
Sobald sie das Restaurant betreten hatten, wiederholten sie ihre Darbietung, immer wieder unterbrochen von jähen Lachkrämpfen und nicht minder jähen, nicht minder krampfhaften Debatten über die Politik, das College und darüber, was für ein sonniges Gemüt sie doch besaßen. Ihre Armbanduhren sagten ihnen, dass es mittlerweile neun war, und allmählich bildete sich in ihren Köpfen die Idee heraus, dass dies hier ein denkwürdiges Beisammensein war, etwas, woran sie sich zeitlebens erinnern würden. Bei der zweiten Flasche hielten sie sich länger auf. Und immer, wenn einer von ihnen das Wort »Zomotong« sagte, fingen sie von neuem an zu glucksen und zu japsen und kriegten sich gar nicht wieder ein vor Lachen. Das Restaurant schwirrte und wogte und war von einer eigentümlichen Helligkeit erfüllt, die die schwere Luft verdünnte.
Sie zahlten ihre Rechnung und gingen hinaus ins Foyer.
Im selben Augenblick rotierte die Drehtür zum tausendsten Mal an jenem Morgen und beförderte eine sehr blasse junge Schönheit mit dunklen Augenringen und in einem arg ramponierten Abendkleid in die Eingangshalle, gefolgt von einem kräftig gebauten, gewöhnlich aussehenden Mann, der – das sah man auf den ersten Blick – keine angemessene Begleitung für sie war.
Oben auf dem Treppenabsatz stieß dieses Paar auf Mr. In und Mr. Out.
»Edith«, rief Mr. In, trat
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