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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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quietschvergnügt auf sie zu und machte eine schwungvolle Verbeugung. »Guten Morgen, Schatzi.«
    Der kräftig gebaute Mann warf Edith einen fragenden Blick zu, als bitte er sie um die Erlaubnis, den Kerl da kurzerhand beiseitezuschubsen.
    »’tschuldigung für die Vertraulichkeit«, fügte Peter nach kurzer Überlegung hinzu. »Guten Morgen, Edith.«
    Er packte Dean am Ellenbogen und schob ihn nach vorne.
    »Darf ich vorstelln, Edith – Mr. Out, mein bessa Kammerat. Unzatrennlüch. Mr. In und Mr. Out.«
    Mr. Out trat näher und verbeugte sich; genauer gesagt, er trat so weit vor und verbeugte sich so tief, dass er fast vornübergekippt wäre und sich kurz an Ediths Schulter festhalten musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    »Ich bin der Mr. Out, Edith«, stammelte er fröhlich. »Das da is der Missa In – ich Missa Out.«
    »Missainunmissaout«, sagte Peter stolz.
    Doch Edith sah durch die zwei hindurch und heftete den Blick starr auf einen unbestimmten Punkt hoch oben auf der Galerie. Sie nickte dem kräftig gebauten Mann leicht zu, der daraufhin wie ein Stier auf die beiden zuging und Mr. In und Mr. Out mit einer einzigen raschen, kräftigen Armbewegung nach beiden Seiten aus dem Weg schob und mit Edith durch die so entstandene Gasse schritt.
    Zehn Schritte weiter blieb Edith jedoch von neuem stehen – blieb stehen und deutete auf einen kleinen dunkelhaarigen Soldaten, der wie gebannt dastand und halb verdutzt, halb ehrfürchtig die Menge insgesamt, besonders aber das Tableau mit Mr. In und Mr. Out, beobachtete.
    »Dort«, rief Edith. »Sehn Sie, dort!«
    Ihre Stimme wurde lauter, fast schon schrill. Ihr Zeigefinger bebte ein klein wenig. »Dieser Soldat dort, das ist der, der meinem Bruder das Bein gebrochen hat.«
    Hierauf erschollen vereinzelte Rufe; ein Mann im Gehrock verließ seinen Platz nah am Tresen und kam behende herbeigerannt; der kräftig gebaute Mensch sprang wie der Blitz mit einem Satz auf den kleinen dunkelhaarigen Soldaten zu, und im nächsten Moment war die kleine Gruppe von allen im Foyer weilenden Leuten umringt und dergestalt den Blicken von Mr. In und Mr. Out entzogen.
    Für Mr. In und Mr. Out indes war dieser Vorfall nichts weiter als ein buntschillerndes Stückchen der wirbelnden, schwirrenden Welt.
    Sie hörten laute Stimmen; sie sahen den kräftig gebauten Mann springen, und dann verschwamm das Bild auf einmal.
    Als Nächstes waren sie im Aufzug und fuhren himmelan.
    »Welches Stockwerk bitte?«, fragte der Fahrstuhlführer.
    »Irgendeins«, sagte Mr. In.
    »Das oberste«, sagte Mr. Out.
    »Dies hier ist das oberste Stockwerk«, sagte der Fahrstuhlführer.
    »Dann lassen Sie gefälligst noch eins draufsetzen«, sagte Mr. Out.
    »Höher«, sagte Mr. In.
    »Zum Himmel«, sagte Mr. Out.
    XI
     
    Gordon Sterrett erwachte in einem kleinen Hotel in einer Seitenstraße nahe der Sixth Avenue; er hatte rasendes Kopfweh, und sein ganzer Körper wummerte vor Übelkeit. Er sah die dämmergrauen Schatten in den Zimmerecken, dann fiel sein Blick auf eine vom langen Gebrauch abgewetzte Stelle an dem großen Ledersessel vis-à-vis dem Bett. Er sah Kleider, verstreute, zerknautschte Kleider auf dem Boden, die Luft roch nach kaltem Zigarettenrauch und schalem Alkohol. Die Fenster waren fest geschlossen. Draußen hatte das grelle Sonnenlicht einen staubflirrenden Strahl quer über den Fenstersims geworfen – einen Sonnenstrahl, durchschnitten vom Kopfteil des hölzernen Bettes, in dem er geschlafen hatte. Er lag ganz still – wie im Koma, wie unter Drogen, mit weit aufgerissenen Augen, sein Hirn knackte wie wild und quietschte wie eine schlecht geölte Maschine.
    Zirka dreißig Sekunden nachdem er den staubwabernden Sonnenstrahl und die abgeschabte Stelle an dem großen Ledersessel bemerkt hatte, war ihm, als spürte er etwas Lebendiges neben sich, und noch einmal dreißig Minuten vergingen, bis ihm klar wurde, dass er verheiratet war – unwiderruflich – mit Jewel Hudson.
    Eine halbe Stunde später ging er in ein Sportartikelgeschäft und kaufte sich einen Revolver. Dann nahm er ein Taxi, fuhr zu dem Haus in der East Twenty-seventh Street, in dem er gewohnt hatte, ging in sein Zimmer, beugte sich über den Tisch mit seinem Zeichenzeug und schoss sich eine Kugel in den Kopf, direkt hinter die Schläfe.

Jelly-bean
     
    I
     
    Jim Powell war ein Jelly-bean. So gern ich einen sympathischen Charakter aus ihm machen würde, schiene es mir doch unlauter, Sie in diesem Punkt

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