Winterträume
eine Spur aus gebrochenen Herzen hinterlassen hatten.
Ein paar flüchtige Augenblicke lang wünschte Jim, er könnte tanzen. Dann lachte er, und als er vor seiner Tür ankam, begann er leise vor sich hin zu singen:
»Her Jelly Roll can twist your soul,
Her eyes are big and brown,
She’s the Queen of the Queens of the Jelly-beans –
My Jeanne of Jelly-bean Town.«
II
Um halb zehn trafen sich Jim und Clark draußen vor Soda Sam’s und machten sich in Clarks Ford auf den Weg in den Country Club.
»Jim«, fragte Clark beiläufig, während sie durch die nach Jasmin duftende Dunkelheit knatterten, »wovon lebst du eigentlich?«
Jelly-bean zögerte, dachte nach.
»Tja«, sagte er schließlich, »ich hab ein Zimmer über Tillys Werkstatt. Ich helf ihm nachmittags ein bisschen mit den Autos, dafür lässt er mich umsonst da wohnen. Manchmal fahr ich auch eins seiner Taxis und verdien mir was dazu. Aber wenn ich das regelmäßig mache, hab ich’s schnell über.«
»Ist das alles?«
»Na ja, wenn viel zu tun ist, helf ich ihm auch mal den ganzen Tag aus – meist samstags –, und dann gibt’s da noch eine Haupteinnahmequelle, von der ich sonst nicht rede. Du weißt vielleicht nicht, dass ich inzwischen so ungefähr der beste Craps-Spieler der Stadt bin. Die andern lassen mich nur noch mit dem Becher würfeln, denn wenn ich die Dinger erst mal in der Hand hab, dann rollen sie wie von selbst.«
Clark grinste anerkennend. »Ich hab’s nie gelernt, sie so anzufassen, dass sie tun, was ich will. Du musst mal mit Nancy Lamar spielen und ihr all ihr Geld abnehmen. Sie spielt oft mit den Jungs und verliert mehr, als ihr Daddy ihr geben kann. Ich weiß zufällig, dass sie letzten Monat einen teuren Ring verkauft hat, um ihre Schulden zu bezahlen.«
Jelly-bean ging nicht darauf ein.
»Gehört dir das weiße Haus an der Elm Street noch?«
Jim schüttelte den Kopf.
»Verkauft. Hat ’ne schöne Summe gebracht, wenn man bedenkt, dass das Viertel nicht mehr das ist, was es mal war. Der Anwalt hat gesagt, ich soll das Geld in Liberty Bonds anlegen. Aber jetzt ist Tante Mamie nicht mehr ganz richtig im Oberstübchen, und ich brauch alle Zinsen, damit sie im Great Farms Sanatorium bleiben kann.«
»Hm.«
»Ich hab oben im Norden einen alten Onkel, da könnt ich wohl hin, falls ich mal völlig abgebrannt bin. Nette Farm, aber nicht genug Neger in der Gegend, die die Arbeit machen könnten. Er hat mich schon öfter gefragt, ob ich nicht raufkommen und ihm helfen will, aber ich glaub nicht, dass ich mich dran gewöhnen könnte. Ist verdammt einsam da –« Er unterbrach sich plötzlich. »Clark, ich find’s wirklich nett von dir, dass du mich mitnimmst, aber ich wär doch froh, wenn du einfach hier anhalten würdest, dann lauf ich zu Fuß zurück in die Stadt.«
»Quatsch!«, knurrte Clark. »Tut dir gut, mal rauszukommen. Du brauchst ja nicht zu tanzen – stellst dich bloß aufs Parkett und schüttelst dich ein bisschen zum Rhythmus.«
»Moment«, rief Jim beklommen aus. »Wehe, du bringst mich zu irgendeinem Mädchen hin und lässt mich da stehen, und dann muss ich mit ihr tanzen.«
Clark lachte.
»Nee, ehrlich«, fuhr Jim verzweifelt fort, »wenn du mir das nicht schwörst, steig ich auf der Stelle aus, und meine alten Beine tragen mich zur Jackson Street zurück.«
Nach einigem Hin und Her einigten sie sich darauf, dass Jim, von Frauen unbehelligt, das Spektakel von einem abseitsstehenden Sofa in der Ecke aus beobachten würde, wo Clark sich zu ihm gesellen konnte, wann immer er selber nicht tanzte.
Und so saß Jelly-bean um zehn Uhr mit übereinandergeschlagenen Beinen und reserviert verschränkten Armen da und versuchte, wohlige Entspanntheit und höfliches Desinteresse gegenüber den Tanzenden zu mimen. Im Herzen war er hin- und hergerissen zwischen lähmender Befangenheit und größter Neugier auf alles, was um ihn herum geschah. Er sah, wie die Mädchen eins nach dem anderen aus der Garderobe kamen, sich streckten und plusterten wie bunte Vögel, über die gepuderten Schultern hinweg den Anstandsdamen zulächelten, rasch den Blick schweifen ließen, um den Saal in sich aufzunehmen – und zugleich die Reaktion, die ihr Erscheinen darin hervorrief –, worauf sie, erneut wie Vögel, in den soliden Armen ihrer wartenden Galane landeten und sich dort einnisteten. Sally Carrol Hopper, blond und mattäugig, trug ihre Lieblingsfarbe Pink und blinzelte wie eine eben erwachende Rose. Marjorie Haight, Marylyn
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