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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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mich niemand mehr attraktiv findet, macht mir auch niemand mehr welche.«
    Scott hatte sich selten so gut unterhalten gefühlt.
    »Also wirklich, Sie schönes Kind«, rief er, »ich wette, Sie hören von morgens bis abends nichts anderes!«
    »Ganz im Gegenteil«, antwortete sie, offensichtlich erfreut. »Ich bekomme kein einziges Kompliment, wenn ich es nicht selbst hervorkitzele.«
    ›Es ist immer dasselbe‹, dachte sie, als sie in sonderbar gedrückter Stimmung den Blick schweifen ließ. Dieselben Jungs nüchtern, dieselben betrunken; dieselben alten Frauen auf den Stühlen an der Wand – und neben ihnen ein oder zwei junge, die im Jahr zuvor noch getanzt hatten.
    Yanci hatte das Stadium erreicht, in dem ihr diese Country-Club-Bälle kaum mehr als ein Jahrmarkt der schieren Einfalt zu sein schienen. Das Bild des märchenhaften Karnevals, auf dem sich mit Juwelen geschmückte, makellose Mädchen, mit rosigem Rouge auf das Sittsamste geschminkt, fremden und faszinierenden Männern darboten, war verblasst und ein mittelgroßer Saal darunter zum Vorschein gekommen, in dem unverhüllte Motive und offenkundige Misserfolge auf beinahe obszöne Weise zur Schau getragen wurden. So viel davon seit mehreren Jahren! Und der Ball hatte sich kaum verändert – im Höchstfall gab es mal eine modische Rüsche hier oder eine neue sprachliche Kapriole dort.
    Yanci war bereit zu heiraten.
    Unterdessen wurde das Dutzend Erwiderungen, das Scott Kimberley schon auf der Zunge lag, durch Mrs. Rogers vereitelt, die plötzlich mit entschuldigender Miene vor ihnen stand.
    »Yanci«, sagte die ältere Frau, »unser Chauffeur hat gerade angerufen und Bescheid gegeben, dass der Wagen liegengeblieben ist. Ob du und dein Vater auf dem Heimweg wohl noch Platz für uns hättet? Wenn es auch nur die geringsten Umstände macht, zögere bitte nicht –«
    »Es wird ihm bestimmt ein großes Vergnügen sein. Und Platz hat er mehr als genug, denn ich bin mit jemand anderem hergekommen.«
    Sie fragte sich, ob ihr Vater um Mitternacht noch präsentabel sein würde.
    Fahren würde er jedenfalls immer noch können – außerdem sollten Leute, die chauffiert werden wollten, gefälligst nehmen, was sie bekamen.
    »Das ist wunderbar. Danke vielmals«, sagte Mrs. Rogers.
    Da sie die koketten späten Dreißiger, in denen Frauen glauben, bei den jungen Leuten noch persona grata zu sein, gerade hinter sich gelassen hatte und ihre Kinder ihr, der Anfang Vierzigjährigen, taktvoll zu verstehen gegeben hatten, dass dem nun nicht mehr so sei, entfernte Mrs. Rogers sich rasch von der Bildfläche. Im selben Augenblick setzte die Musik ein, und der bedauernswerte junge Mann mit den weißen Streifen auf roter Haut tauchte bei Yanci auf.
    Kurz bevor der nächste Tanz zu Ende war, klatschte Scott Kimberly sie wieder ab.
    »Ich bin noch einmal gekommen«, fing er an, »um Ihnen zu sagen, wie schön Sie sind.«
    »Bin ich gar nicht«, entgegnete sie. »Außerdem sagen Sie das doch zu jeder.«
    Die Musik nahm Fahrt für das Finale auf, und sie ließen sich auf das bequeme Sofa nieder.
    »Ich habe es seit drei Jahren zu keiner mehr gesagt«, antwortete Scott.
    Es gab keinen Grund, warum er ausgerechnet drei Jahre sagte, aber irgendwie klang es für sie beide überzeugend. Yancis Neugier war geweckt. Sie fing an, sich nach ihm zu erkundigen. Sie unterzog ihn einer trägen Befragung, die mit seiner Beziehung zu den Rogers’ begann und – er wusste nicht, auf welchen Wegen – mit einer detaillierten Beschreibung seines Apartments in New York endete.
    »Ich möchte auch in New York leben«, eröffnete sie ihm; »an der Park Avenue, in einem dieser wunderschönen weißen Häuser, deren Wohnungen alle zwölf große Zimmer haben und ein Vermögen an Miete kosten.«
    »Das würde ich auch wollen, wenn ich verheiratet wäre. Die Park Avenue ist für mich eine der schönsten Straßen der Welt, vielleicht vor allem deshalb, weil sie keinen leprösen Park hat, der ihr etwas künstlich Suburbanes zu geben versucht.«
    »Was immer das heißt«, pflichtete Yanci ihm bei. »Na ja, Vater und ich fahren jedenfalls dreimal im Jahr nach New York. Wir wohnen dann immer im Ritz.«
    Das stimmte nicht ganz. Einmal im Jahr eiste sie gewöhnlich ihren Vater aus seinem beschaulichen, nicht unsegensreichen Dasein los, damit sie eine Woche in New York verbringen und an den Schaufenstern der Fifth Avenue entlangbummeln, mit einer alten Schulfreundin aus Farmover zu Mittag essen oder Tee trinken

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