Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
beiden attraktivsten Menschen in ihrer mittelwestlichen Heimatstadt. Zwanzig Jahre im Dienst guten Whiskeys und schlechten Golfspiels hatten Tom Bowman eine kerngesunde Gesichtsfarbe verliehen. Er hatte ein Büro in der Innenstadt, wo er angeblich irgendwelchen nicht näher bestimmten Immobiliengeschäften nachging; in Wirklichkeit aber war für ihn das Wichtigste im Leben, sein gut geschnittenes Profil und seine lässigen, aber kultivierten Manieren im Country Club zur Schau zu stellen, wo er in den zehn Jahren seit dem Tod seiner Frau den größten Teil seiner Zeit verbracht hatte.
    Yanci war zwanzig und hatte eine unbestimmt schmachtende Art, die zum einen als Kulisse für ihr schläfriges Temperament diente und zum anderen daher rührte, dass sie als junges, leicht zu beeindruckendes Mädchen Verwandte an der Ostküste besucht hatte. Sie war auf eine irrlichternde Weise intelligent, romantisch bei Mondschein und unfähig, sich zu entscheiden, ob sie der Liebe oder der Bequemlichkeit halber heiraten sollte, wobei die letztere dieser beiden Abstraktionen von einem ihrer glühendsten Verehrer ganz passabel verkörpert wurde. Unterdessen führte sie ihrem Vater nicht ohne Geschick den Haushalt und versuchte in einem ruhigen, gelassenen Zeitmaß, seine unentwegte Zecherei so zu regulieren, dass er auf der nüchternen Seite des Rausches blieb.
    Sie verehrte ihren Vater. Sie verehrte ihn wegen seines guten Aussehens und seiner charmanten Umgangsformen. Er hatte die Manieren eines allseits beliebten Skull&Bones-Mannes der Yale-Universität nie ganz abgelegt. Sein Charme war der Standard, an dem sie mit ihrem feinen Gespür die Männer aus ihrem Bekanntenkreis unbewusst maß. Und doch waren Vater und Tochter weit von jenem sentimentalen familiären Verhältnis entfernt, das die Literatur so gerne beschwört, während es im Leben meist nur in der Einbildung des jeweils älteren Parts existiert. Yanci Bowman hatte beschlossen, ihr Elternhaus noch im selben Jahr zu verlassen, um zu heiraten. Sie langweilte sich herzlich.
    Scott Kimberly, der sie an diesem Novemberabend im Country Club zum ersten Mal sah, stimmte der Dame, deren Hausgast er war, zu, dass Yanci eine erlesene kleine Schönheit war. Mit einer Art bewusster Sinnenfreude, wie sie bei einem so jungen Mann – Scott war erst fünfundzwanzig – überraschte, vermied er es, ihr vorgestellt zu werden, um sie eine phantasiereiche Stunde lang ungestört beobachten zu können und sich das Vergnügen oder die Enttäuschung einer Unterhaltung mit ihr für das schläfrige Ende des Abends aufzusparen.
    »Sie hat es nie verwunden, dass sie dem Prinzen von Wales nicht begegnet ist, als er im Lande war«, sagte Mrs. Orrin Rogers, die seinem Blick gefolgt war. »Das hat sie jedenfalls behauptet; ob es ernst gemeint war, weiß ich nicht. Es heißt, ihre Wände seien mit Bildern von ihm regelrecht gepflastert.«
    »Von wem?«, fragte Scott unvermittelt.
    »Na, mit Bildern des Prinzen von Wales.«
    »Wessen Wände?«
    »Na, die von Yanci Bowman, dem jungen Mädchen, das du so hübsch findest.«
    »Von einem gewissen Hübschheitsgrad an ist ein Mädchen so hübsch wie das andere«, sagte Scott streitlustig.
    »Da magst du recht haben.«
    Mrs. Rogers’ Stimme verlor sich im Unbestimmten. Sie hatte in ihrem Leben noch kein Bonmot verstanden, ehe es ihrem Ohr nicht durch ständige Wiederholung vertraut gemacht worden war.
    »Unterhalten wir uns doch über sie«, schlug Scott vor.
    Mit einem pseudovorwurfsvollen Lächeln gab Mrs. Rogers sich bereitwillig zur Verleumdung her. Eben begann eine Zugabe. Das Orchester ließ Musik in den freundlichen, mit grünem Gitterwerk versehenen Raum rieseln, und die vierzig Paare, die an diesem Abend aus der jüngeren Gästeschar bestanden, passten sich gemächlich seinem Rhythmus an. Nur ein paar teilnahmslose Junggesellen erschienen nach und nach in den Türrahmen, und wer genauer hinsah, merkte wohl, dass die Atmosphäre nicht die Ausgelassenheit erlangte, die allenthalben angestrebt wurde. Die jungen Frauen und Männer kannten einander seit ihrer Kindheit; und wenn sich auf diesem Tanzboden auch Eheschließungen anbahnten, so waren es solche, die dem Milieu, der Resignation oder gar der Langeweile geschuldet waren.
    Ihnen fehlte der Glanz der Affären Siebzehnjähriger, die sich während der kurzen, herrlichen Ferien ereigneten. Bei Anlässen wie diesen, dachte Scott, nebenher mit den Augen weiterhin nach Yanci suchend, fanden die

Weitere Kostenlose Bücher