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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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Übriggebliebenen zu Paaren zusammen, die Schlichteren, Faderen, Ärmeren dieser Gesellschaft; Paare, die sich mit der gleichen Sehnsucht nach einer glanzvolleren Zukunft bildeten, dabei aber weniger schön waren und weniger jung. Scott selbst fühlte sich sehr alt.
    Doch es gab ein Gesicht in der Menge, auf das seine Verallgemeinerung nicht zutraf. Als sein Blick Yanci Bowman zwischen den Tanzenden aufgespürt hatte, fühlte er sich gleich viel jünger. Sie war der Inbegriff all dessen, was dem Ball fehlte – jugendliche Anmut, blasierte, lässige Frische und eine Schönheit, die traurig und vergänglich war wie eine Erinnerung in einem Traum. Ihr Tanzpartner, ein junger Mann mit knallroten, weiß gestreiften Wangen, die ihn aussehen ließen, als wäre er an einem kalten Tag geohrfeigt worden, schien ihr Interesse nicht halten zu können, denn ihr Blick wanderte umher und verweilte mit entrückter, selbstvergessener Melancholie bald bei einer Gruppe, bald bei einem Gesicht, bald bei einem Kleid.
    »Dunkelblaue Augen«, sagte Scott zu Mrs. Rogers. »Ich wüsste nicht, dass sie, von ihrer Schönheit abgesehen, etwas zu bedeuten haben, aber diese Nase und die Oberlippe und das Kinn sind eindeutig aristokratisch – falls es so etwas gibt«, fügte er entschuldigend hinzu.
    »O ja, sie ist sehr aristokratisch«, bestätigte ihm Mrs. Rogers. »Ihr Großvater war in einem der Südstaaten Senator oder Gouverneur oder etwas in der Art. Ihr Vater sieht auch sehr aristokratisch aus. O ja, sie sind sehr aristokratisch; es sind aristokratische Leute.«
    »Sie wirkt schläfrig.«
    Scott beobachtete, wie ihr gelbes Abendkleid zwischen den Tänzern schwebte und wieder verschwand.
    »Sie bewegt sich nicht gern. Ein Wunder, dass sie so gut tanzt. Ist sie verlobt? Wer ist das, der sie da ständig abklatscht – der Mann, der seine Krawatte so verwegen unter den Kragen gesteckt hat; der mit den auffälligen schrägen Jackentaschen?«
    Er ärgerte sich über die Hartnäckigkeit des jungen Mannes, und seinem Sarkasmus fehlte der distanzierte Ton.
    »Ach, das« – Mrs. Rogers beugte sich mit zwischen den Zähnen hervorschauender Zungenspitze vor –, »das ist der junge O’Rourke. Ich glaube, er ist ihr ziemlich verfallen.«
    »Und ich glaube«, sagte Scott plötzlich, »dass ich dich bitten werde, mich ihr vorzustellen, falls sie in der Nähe ist, wenn die Musik aufhört.«
    Sie standen auf und schauten sich nach Yanci um – die kleine, schon ein wenig korpulente, nervöse Mrs. Rogers und Scott Kimberly, der Neffe ihres Mannes, dunkel und nicht ganz mittelgroß. Scott war eine Waise mit einem Vermögen von einer halben Million, und er war aus keinem anderen Grund in der Stadt, als dass er seinen Zug verpasst hatte. Vergebens hielten sie ein paar Minuten lang Ausschau. Yanci in ihrem gelben Kleid bewegte sich nicht mehr mit träger Anmut unter den Tanzenden.
    Die Uhr zeigte halb elf.
    II
     
    »Guten Abend«, sagte ihr Vater im selben Moment zu ihr, wobei er die Silben leicht vernuschelte. »Das scheint hier ja allmählich zur Gewohnheit zu werden.«
    Sie standen neben einer Seitentreppe, und über seine Schulter hinweg konnte Yanci durch eine Glastür ein halbes Dutzend Männer in trauter Fröhlichkeit um einen runden Tisch herumsitzen sehen.
    »Möchtest du nicht mitkommen und eine Weile zuschauen?«, fragte sie lächelnd, eine Unbefangenheit vorgebend, die sie nicht empfand.
    »Heute nicht, danke.«
    Das würdevolle Benehmen ihres Vaters war ein wenig zu forciert, um überzeugend zu wirken.
    »Komm doch nur mal kurz mit und schau zu«, drängte sie ihn. »Alle sind da, und ich möchte gerne deine Meinung über jemanden hören.«
    Das war nicht besonders gut, aber etwas Besseres fiel ihr gerade nicht ein.
    »Ich bezweifle sehr stark, dass ich da draußen irgendetwas finden würde, was mich interessiert«, sagte Tom Bowman mit Nachdruck. »Ich merke wohl, dass ich aus irgendeinem idiotischen Grund dauernd in den Ballsaal gelotst werde und dann ’ne halbe Stunde lang da schmoren muss, als wär ich nicht zurechnungsfähig.«
    »Ich bitte dich ja nur, ganz kurz zu bleiben.«
    »Ist sicher nett gemeint. Aber heute Abend interessiert mich zufällig ein Gespräch, das dort drinnen geführt wird.«
    »Ach, komm schon, Vater.«
    Yanci hakte sich schmeichlerisch bei ihm unter; aber er löste sich von ihr, indem er einfach seinen Arm hob und ihren fallen ließ. »Nein, tut mir leid.«
    »Ich sag dir was«, schlug sie leichthin vor, um

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