Winterträume
und gelegentlich mit jungen Männern, die dafür extra aus Yale oder Princeton angereist kamen, ins Restaurant oder Theater gehen konnte. Das waren schöne Abenteuer gewesen – nicht eines darunter, das nicht bis an den Rand mit farbenfrohen Stunden gefüllt war: tanzen im Montmartre, dinieren im Ritz, wo irgendein Filmstar oder eine wahnsinnig berühmte Dame der feinen Gesellschaft am Nachbartisch saß, oder auch davon träumen, was sie sich bei Hempel oder Waxe oder Thrumble kaufen könnte, wenn das Einkommen ihres Vaters eine Null mehr auf der richtigen Seite des Trennpunkts hätte. Sie liebte New York über alles, empfand eine große, unpersönliche Zuneigung für diese Stadt, wie sie nur ein Mädchen aus dem Mittelwesten oder Süden zu empfinden vermag. In New Yorks grellen Warenhäusern geriet ihre Seele in stürmische Verzückung, denn sie sah dort nichts, was hässlich war, gewöhnlich oder fad.
Einmal, ein einziges Mal, hatte sie im Ritz gewohnt. Das Manhattan, wo sie normalerweise abstiegen, war abgerissen worden. Sie wusste, dass sie ihren Vater nie wieder dazu bewegen könnte, sich das Ritz zu leisten.
Einen Augenblick später borgte sie sich einen Stift und Papier und schrieb eine Nachricht »Für Mr. Bowman in der Bar«, in der sie ihm mitteilte, er möge Mrs. Rogers und ihren Gast mit nach Hause nehmen, »auf deren Bitte hin« – Letzteres war unterstrichen. Sie hoffe, er könne das mit Würde und Anstand tun. Diese Botschaft ließ sie ihrem Vater durch einen Kellner zukommen. Bevor der nächste Tanz begann, wurde sie ihr mit einem hingekritzelten »O.K.« und den Initialen ihres Vaters zurückgebracht.
Der Rest des Abends verging schnell. Scott Kimberly tanzte mit ihr, sooft es möglich war, und machte ihr jene beruhigenden Komplimente hinsichtlich ihrer dauerhaften Schönheit, nach denen sie sich nicht ohne ulkiges Pathos verzehrte. Er lachte auch über sie, und ob ihr das gefiel, wusste sie nicht recht. Wie alle verträumten Menschen nahm sie sich selbst nicht als verträumt wahr. Sie verstand nicht genau, was Scott Kimberly meinte, als er ihr sagte, ihre Persönlichkeit würde noch Bestand haben, wenn sie schon längst zu alt wäre, sich darum zu scheren.
Am liebsten unterhielt sie sich über New York, und jedes ihrer unterbrochenen Gespräche rief ihr ein Bild der Metropole ins Gedächtnis oder erinnerte sie an etwas, worüber sie dann nachdachte, während sie Jerry O’Rourke oder Carty Braden oder irgendeinem anderen Schönling, die sie, wie alle anderen auch, angenehm ungerührt ließen, über die Schulter blickte. Um Mitternacht schickte sie ihrem Vater eine weitere Nachricht, in der sie ihn bat, unverzüglich auf der Veranda neben der Haupteinfahrt zu erscheinen, wo Mrs. Rogers und ihr Gast auf ihn warten würden. Dann trat sie, auf das Beste hoffend, in die sternenklare Nacht hinaus und ließ sich von Jerry O’Rourke in dessen Roadster helfen.
III
»Gute Nacht, Yanci.« Sie stand mit ihrem jüngsten Verehrer vor dem gemieteten Stuckhaus, in dem sie wohnte. Mr. O’Rourke versuchte Bedeutungsschwere in die gedehnte Aussprache ihres Namens zu legen. Seit Wochen bemühte er sich, ihre Beziehung schon fast gewaltsam auf eine sentimentale Ebene zu heben; doch mit ihrer verträumten Ungerührtheit, die ein Schutz gegen nahezu alles war, hatte Yanci seine Bemühungen ins Leere laufen lassen. Jerry O’Rourke war ein alter Hut. Seine Familie hatte Geld; aber er – er arbeitete wie die meisten anderen jungen Männer seiner Generation in einer Maklerfirma. Er verkaufte Wertpapiere – Wertpapiere waren im Moment gefragt. Zur Zeit des Booms waren Immobilien gefragt gewesen; dann Autos. Jetzt waren es Wertpapiere. Sie wurden von jungen Männern verkauft, die nicht wussten, was sie sonst tun sollten.
»Du brauchst mich nicht zur Tür zu bringen, danke.« Und als er den Gang einlegte: »Ruf mich bald an!«
Als er eine Minute später auf der mondbeschienenen Straße um die Ecke bog und verschwand, hallte sein abgesägter Auspuff laut durch die Nacht, ohne ein Hehl daraus zu machen, dass der Rest der zwei Dutzend müden Anwohner für seine fröhliche Spritztour ohne jeden Belang war.
Yanci setzte sich nachdenklich auf die Verandastufen. Sie hatte keinen Schlüssel und musste warten, bis ihr Vater kam. Fünf Minuten darauf bog ein Roadster in die Straße ein, näherte sich mit übertriebener Vorsicht und hielt vor dem großen Haus der Rogers gleich nebenan. Erleichtert stand Yanci auf
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