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Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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betreffend. Es schien ihr das Beste, Abendverabredungen zu vermeiden. Sollte er die Abende für sich haben, an sie denken, sie sich in Gesellschaft anderer Männer vorstellen, ja sogar ein paar einsame Stunden in seinem Apartment verbringen und sich ausmalen, wie viel lustiger es wäre, wenn… Sollten Zeit und Abwesenheit für sie arbeiten.
    Während sie sich eine Weile lang auf den Film konzentrierte, schätzte sie die Kosten des Apartments, in dem die Heldin ihr filmisches Unrecht ertrug. Sie bewunderte den schlanken italienischen Tisch, der eine Seite des großen Speisezimmers einnahm und von einer langen Bank flankiert war, was ihm die Anmutung von mittelalterlichem Luxus gab. Sie erfreute sich an der Schönheit von Mae Murrays Kleidern und Pelzen, ihren herrlichen Hüten, ihren klein wirkenden französischen Schuhen. Einen Augenblick später kehrten ihre Gedanken zu ihrem eigenen Drama zurück; sie fragte sich, ob Scott bereits verlobt war, und dabei wurde ihr ganz bang ums Herz. Aber es war doch unwahrscheinlich. Dafür hatte er sie nach ihrer Ankunft zu schnell angerufen, war an diesem Nachmittag zu freigebig mit seiner Zeit, zu interessiert und aufmerksam gewesen.
    Nach dem Kino kehrte sie ins Ritz zurück, wo sie fast zum ersten Mal seit drei Monaten tief und glücklich schlief. Die Atmosphäre um sie herum erschien ihr jetzt gar nicht mehr kalt. Selbst der Mann am Empfang hatte freundlich und voller Bewunderung gelächelt, als Yanci um ihren Schlüssel bat.
    Am Morgen um zehn rief Scott an. Yanci, die schon seit Stunden wach war, gab vor, von den Ausschweifungen der letzten Nacht noch ganz schläfrig zu sein.
    Nein, sie könne am Mittwoch nicht mit ihm zu Abend essen. Es tue ihr schrecklich leid; sie habe, wie befürchtet, schon eine Verabredung. Aber sie könne mit ihm zu Mittag essen und am Nachmittag eine Theatervorstellung besuchen, wenn er sie rechtzeitig zum Tee wieder zurückbringe.
    Sie verbrachte den Tag damit, auf den Straßen umherzustreifen. Im Doppeldecker – oben, aber nicht ganz vorne, wo Scott sie womöglich entdecken könnte – segelte sie auf dem Riverside Drive stadtauswärts und bei Anbruch der Winterdämmerung über die Fifth Avenue wieder zurück, und ihre Gefühle für New York und seine Herrlichkeiten vertieften und verstärkten sich. Hier wollte sie leben und reich sein, hier wollte sie von den Verkehrspolizisten an der Ecke mit einem Kopfnicken gegrüßt werden, wenn sie – mit einem kleinen Hund – in ihrer Limousine saß, und hier wollte sie sonntags zu einer stilvollen Kirche und von dort wieder zurückflanieren, während Scott, mit seinem Cutaway und hohen Hut sehr gutaussehend, verliebt neben ihr herspazierte.
    Beim Mittagessen am Mittwoch beschrieb sie Scott zwei phantastische Tage. Sie erzählte ihm von einer Motorbootfahrt den Hudson hinauf und sagte ihm ihre Meinung zu zwei Theaterstücken, die sie gesehen habe – mit ihr ergebenen Männern an ihrer Seite, wie sie durchblicken ließ. Sie hatte in der Morgenzeitung sorgfältig über die Stücke nachgelesen und die beiden ausgewählt, über die sie die meisten Informationen sammeln konnte.
    »Ach«, sagte er bestürzt, »du hast Dulcy schon gesehen? Ich habe zwei Karten dafür besorgt, aber du willst es ja bestimmt nicht noch einmal sehen.«
    »Doch, doch, das macht mir gar nichts«, widersprach sie wahrheitsgemäß. »Wir waren spät da, weißt du, und außerdem fand ich es fabelhaft.«
    Aber er wollte nichts davon hören, dass sie das Stück ein zweites Mal über sich ergehen ließ – er selbst kenne es im Übrigen auch schon. Es war ein Stück, das Yanci wahnsinnig gern gesehen hätte, doch nun musste sie hinnehmen, dass er die Karten gegen andere eintauschte, zumal gegen die schlechteren, die in letzter Minute noch zu haben waren. Manchmal kam ihr das Spiel ziemlich schwierig vor.
    »Übrigens«, sagte er hinterher, als sie im Taxi zum Hotel zurückfuhren, »du fährst doch morgen nach Princeton, nicht wahr?«
    Sie erschrak. Weder hatte sie sich klargemacht, dass die Prom schon so bald stattfinden würde, noch, dass Scott davon wissen könnte.
    »Ja«, antwortete sie unverfroren. »Ich fahre morgen Nachmittag.«
    »Mit dem Zug um zwanzig nach zwei, nehme ich an«, sagte Scott. Und dann: »Triffst du den Mann, mit dem du hingehst – in Princeton?«
    Einen Moment lang war sie überrumpelt.
    »Ja, er holt mich vom Zug ab.«
    »Dann bringe ich dich zum Bahnhof«, schlug Scott vor. »Es wird voll sein, und es könnte

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