Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterträume

Winterträume

Titel: Winterträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
Vom Netzwerk:
die hohen Apartmenthäuser ihrer Träume leuchtend weiß die Straße säumten. Hier würde sie nach einem fröhlichen, vom Vergnügen bestimmten Tagesablauf leben. In diesen vornehmen Damengeschäften, die man nicht ohne Kreditkarte betrat, würde sie die Vormittagsstunden damit zubringen, einzukaufen und einzukaufen, unaufhörlich und ohne an die Kosten zu denken; in diesen Restaurants würde sie mittags in Gesellschaft anderer eleganter Frauen speisen, stets mit Orchideen geschmückt und vielleicht mit einem absurd kleinen Spitz in den seidig glatten Armen.
    Im Sommer – ja, im Sommer würde sie nach Tuxedo fahren, vielleicht zu einem makellosen, auf glanzvoller Höhe thronenden Haus, von wo aus sie eine Welt der Nachmittagstees und Bälle, der Reitturniere und Polospiele besuchen würde. In den Halbzeiten würden die Polospieler in ihren weißen Anzügen und Helmen sich bewundernd um sie scharen, und wenn sie von dannen rauschte, weil bereits der nächste herrliche Zeitvertreib lockte, wären ihr die Blicke etlicher neidischer, aber eingeschüchterter Frauen sicher.
    Jeden zweiten Sommer würden sie natürlich nach Europa reisen. Sie begann, ein typisches Jahr zu planen, ein paar Monate hier- und ein paar Monate dorthin verteilend, so dass sie – das schloss Scott Kimberly ein – zu den Vorreitern der Saison avancieren würden, indem sie auf die kleinste Regung des gesellschaftlichen Barometers hin vom ländlichen zum urbanen Leben, von Palmen zu Pinien wechselten.
    Sie hatte zwei Wochen Zeit, mehr nicht, um diese Position zu erlangen. Mit einem ekstatischen Gefühl der Entschlossenheit hob sie den Kopf zu dem höchsten der hohen weißen Apartmenthäuser empor.
    »Es wird einfach wundervoll sein!«, sagte sie zu sich selbst.
    Beinahe zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie keine übertriebenen Worte gewählt, um das Staunen auszudrücken, das in ihren Augen leuchtete.
    VIII
     
    Gegen fünf Uhr eilte sie zum Hotel zurück und erkundigte sich aufgeregt am Empfang, ob eine telefonische Nachricht für sie hinterlassen worden sei. Zu ihrer tiefen Enttäuschung war dies nicht der Fall. Kurz nachdem sie ihr Zimmer betreten hatte, klingelte das Telefon.
    »Hier ist Scott Kimberly.«
    Bei diesen Worten hallte ein Schlachtruf in ihrem Herzen wider.
    »Ach, hallo!«
    Ihr Ton – nicht kühl, sondern nur beiläufig – implizierte, dass sie ihn fast vergessen hatte.
    Als sie die unvermeidliche Frage beantwortete, um welche Uhrzeit sie angekommen sei, breitete sich ein warmes Glühen in ihr aus. Jetzt, da er sich von der Verkörperung aller Reichtümer und Vergnügungen, nach denen es sie verlangte, in eine bloße männliche Stimme am Telefon verwandelt hatte, erstarkte ihr Selbstvertrauen. Männliche Stimmen waren männliche Stimmen. Man konnte sie manipulieren; man konnte sie dazu bringen, Silben zu intonieren, die der Verstand dahinter gar nicht billigte. Männliche Stimmen konnten nach Belieben traurig, zärtlich oder verzweifelt gemacht werden. Sie frohlockte. Der Lehm lag weich in ihren Händen.
    »Möchtest du nicht heute Abend mit mir essen gehen?«, schlug Scott eben vor.
    »Nun« – vielleicht besser nicht, dachte sie; lass ihn heute Abend an dich denken –, »ich fürchte, das wird nicht möglich sein«, sagte sie. »Ich habe schon eine Verabredung zum Essen und fürs Theater. Es tut mir schrecklich leid.«
    Ihre Stimme klang nicht so, als tue es ihr leid – sie klang höflich. Dann, als sei ihr plötzlich eine schöne Idee gekommen, wann und wo sie ihn in die Liste ihrer Verabredungen einschieben könnte: »Aber warum kommst du nicht diesen Nachmittag zum Tee hierher?«
    Er werde sofort bei ihr sein. Er habe gerade Squash gespielt, wolle nur kurz unter die Dusche springen und sich dann auf den Weg machen. Yanci legte den Hörer auf und wandte sich, zu angespannt, als dass sie hätte lächeln mögen, mit ruhiger Effizienz dem Spiegel zu.
    Mit kritischem Wohlwollen begutachtete sie ihre glänzenden Augen und ihr dunkles Haar. Dann suchte sie ein lavendelfarbenes Nachmittagskleid aus ihrem Koffer heraus und begann sich anzukleiden.
    Sie ließ ihn sieben Minuten in der Lobby warten, bevor sie erschien; dann ging sie ihm mit einem freundlichen, trägen Lächeln entgegen.
    »Hallo«, raunte sie. »Wie wunderbar, dich wiederzusehen. Wie geht es dir?« Und mit einem langen Seufzer: »Ich bin schrecklich müde. Ich war seit meiner Ankunft heute Morgen ununterbrochen unterwegs – erst einkaufen, dann wie der Wind

Weitere Kostenlose Bücher