Winterträume
Inhalt nichts weiter als ein Golfhindernis, das er mit seinen Eisenschlägern mühelos überwunden hatte.
VII
Im Schatten des Diamantenberges war der Juli ein Monat voller kühler Nächte und warmer, sonnendurchfluteter Tage. John und Kismine waren verliebt. Er wusste nicht, dass der kleine goldene Fußball (mit der Gravur Pro Deo et patria et St. Mida ), den er ihr geschenkt hatte, an einer Platinkette um ihren Hals hing. Doch da hing er. Und sie ihrerseits hatte keine Ahnung, dass John einen großen Saphir, der sich eines Tages aus ihrem schlichten Haarschmuck gelöst hatte, zärtlich in seiner Schmuckschatulle geborgen hatte.
Eines späten Nachmittags, als es im mit Rubinen und Hermelinpelzen versehenen Musikzimmer still war, verbrachten die beiden dort eine Stunde. John hielt Kismines Hand, und der Blick, den sie ihm schenkte, ließ ihn ihren Namen flüstern. Sie beugte sich zu ihm, zögerte dann aber.
»Hast du gerade ›Kismine‹ gesagt«, fragte sie leise, »oder…?«
Sie wollte sicher sein. Vielleicht hatte sie ihn ja falsch verstanden.
Weder sie noch er hatten je geküsst, doch nach einer Stunde war ihnen das nicht mehr anzumerken.
Der Nachmittag verging. Als am Abend die letzten Töne der Musik erstarben, die vom höchsten Turm erklang, lagen sie wach und durchträumten noch einmal die Minuten des Tages. Sie hatten beschlossen, so bald wie möglich zu heiraten.
VIII
Jeden Tag gingen Mr. Washington und die Jungen zum Fischen oder Jagen in den dichten Wald, spielten Golf auf dem einschläfernd unaufregenden Platz – wobei John so diplomatisch war, seinen Gastgeber gewinnen zu lassen – oder schwammen in dem kühlen Bergsee. John stellte fest, dass Mr. Washington ein recht schwieriger Mensch war und nur für seine eigenen Gedanken und Meinungen Interesse aufbrachte. Mrs. Washington wirkte stets reserviert und unbeteiligt. Ihre beiden Töchter schienen ihr gleichgültig zu sein; einzig Percy, mit dem sie bei Tisch lange Gespräche auf Spanisch führte, lag ihr am Herzen.
Jasmine, die ältere der Schwestern, ähnelte Kismine äußerlich – bis auf die Tatsache, dass sie leichte O-Beine und recht große Hände und Füße hatte –, besaß jedoch ein vollkommen anderes Temperament. Ihre Lieblingsbücher handelten von armen Mädchen, die ihrem verwitweten Vater den Haushalt führten. Von Kismine erfuhr John, dass Jasmine nie über den Schock und die Enttäuschung hinweggekommen war, die das Ende des Weltkrieges bedeutet hatte, da sie gerade im Begriff gewesen war, als Kantinenexpertin nach Europa zu reisen. Eine Zeitlang hatte sie sich so vor Kummer verzehrt, dass Braddock Washington erste Schritte unternommen hatte, einen neuen Krieg auf dem Balkan anzuzetteln, doch dann hatte sie ein Foto eines verwundeten serbischen Soldaten gesehen und das Interesse an der ganzen Sache verloren. Sowohl Percy als auch Jasmine schienen jedoch ihres Vaters Hochmut in seiner ganzen strengen Größe geerbt zu haben. Ein reiner, beständiger Egoismus durchzog wie ein eingewebtes Muster all ihre Gedanken.
John war verzaubert von den Wundern des Châteaus und des Tals. Braddock Washington, erzählte Percy, hatte einen Landschaftsgärtner, einen Architekten, einen Bühnenbildner sowie einen aus dem vergangenen Jahrhundert übriggebliebenen dekadenten französischen Dichter entführen lassen. Er unterstellte ihnen seine Sklaven, versicherte ihnen, sie könnten über alle Materialien verfügen, die es nur gab, und ließ sie Ideen entwickeln. Leider erwiesen sie sich allesamt als nutzlos. Der dekadente Dichter beklagte sogleich die Tatsache, dass er im Frühling nicht mehr auf den Boulevards schlendern konnte – er tat ein paar unbestimmte Äußerungen über Gewürze, Affen und Elfenbein, brachte aber nichts hervor, was von praktischem Nutzen gewesen wäre. Der Bühnenbildner wollte das ganze Tal in eine Szenerie aus optischen Täuschungen und spektakulären Effekten verwandeln, doch dessen wären die Washingtons wohl nur allzu bald überdrüssig geworden. Und die Pläne des Architekten und des Landschaftsgärtners bewegten sich stets innerhalb der Grenzen der Konvention: Dies oder das konnte nur so oder so gemacht werden.
Zumindest hatten sie schließlich das Problem gelöst, was mit ihnen geschehen sollte: Nachdem sie eine ganze Nacht in einem Raum verbracht und versucht hatten, sich auf die Platzierung eines Springbrunnens zu einigen, waren sie am Morgen allesamt verrückt geworden und führten nun ein
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