Winterträume
wenn du –«
»Aber natürlich komme ich mit«, unterbrach sie ihn ungeduldig.
»Bestimmt nicht. Du –«
»Na gut«, sagte sie leise. »Dann lass uns jetzt zu Vater gehen und die Sache mit ihm besprechen.«
John gab sich geschlagen und rang sich ein schwaches Lächeln ab.
»Also gut, Liebste«, sagte er in einer Anwandlung, die blass und wenig überzeugend wirkte, »dann werden wir also gemeinsam gehen.«
Seine Liebe zu ihr kehrte zurück und ließ sich sanft in seinem Herzen nieder. Sie war sein – sie würde ihn begleiten und die Gefahren mit ihm teilen. Er schloss sie in die Arme und küsste sie stürmisch. Immerhin liebte sie ihn – eigentlich hatte sie ihn gerettet.
Langsam gingen sie zurück zum Château und besprachen die Sache. Da Braddock Washington sie zusammen gesehen hatte, hielten sie es für das Beste, in der kommenden Nacht zu verschwinden. Beim Abendessen waren Johns Lippen ungewöhnlich trocken, und weil er so nervös war, landete ein großer Löffel Fasanenconsommé in seinem linken Lungenflügel. Er musste in das mit Türkisen und Zobelpelz ausgestattete Spielzimmer getragen werden, wo einer der Unterbutler ihm kräftig auf den Rücken klopfte, was Percy umwerfend komisch fand.
IX
Es war lange nach Mitternacht, als John zusammenzuckte und hochfuhr. Vom Schlaf umfangen starrte er in die Schleier aus Dunkelheit, die den Raum erfüllten. Durch die offenen, blauschwarzen Vierecke der Fenster hatte er ein leises, weit entferntes Geräusch gehört, das gleich darauf auf einem Bett aus Wind erstorben war, um dann wieder aufzuleben und sich ihm, halb verborgen hinter unruhigen Träumen, zu erkennen zu geben. Das scharf umrissene Geräusch, das darauf folgte, kam jedoch aus unmittelbarer Nähe, vom Korridor vor seinem Zimmer – das Klicken eines Türknaufs, ein Schritt, ein Flüstern. Er konnte es nicht genau sagen. In seiner Magengrube war ein harter Klumpen, und sein ganzer Körper schmerzte vor lauter Anstrengung, etwas zu hören. Dann schien einer der Schleier sich aufzulösen, und John sah einen Schemen an der Tür, eine von Finsternis eingerahmte Gestalt, die derart mit den Falten des Vorhangs verschmolz, dass sie so verzerrt wirkte wie eine Spiegelung in einer schmutzigen Fensterscheibe.
In plötzlicher Furcht und Entschlossenheit drückte John den Knopf auf dem Nachttisch, und im nächsten Augenblick saß er nebenan in der grünen, im Boden versenkten Badewanne. Das kalte Wasser, mit dem sie zur Hälfte gefüllt war, machte ihn hellwach.
Er sprang hinaus und rannte, in seinem nassen Pyjama große Pfützen hinterlassend, zu der Tür aus Aquamarin, hinter der, wie er wusste, der elfenbeinerne Treppenabsatz des ersten Stockwerks war. Sie öffnete sich geräuschlos. Eine einzelne rote Lampe hoch oben in der großen Kuppel verlieh der elegant geschwungenen, mit Schnitzereien verzierten Treppe eine überwältigende Schönheit. John zögerte für einen Augenblick, erschrocken über die stumme Pracht ringsum, die seine tropfnasse, zitternd auf dem Treppenabsatz stehende kleine Gestalt in ihre gigantischen Falten und Konturen zu hüllen schien. Dann geschahen zwei Dinge gleichzeitig: Die Tür zu seinem Salon flog auf, und drei nackte Neger stürzten heraus, und als John sich in wilder Angst zur Treppe wandte, glitt eine andere Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Korridors zur Seite, und in dem beleuchteten Fahrstuhl erschien vor Johns Augen Braddock Washington in kniehohen Reitstiefeln und einem Pelzmantel, unter dem ein glänzender rosaroter Pyjama hervorschaute.
Die drei Neger – John hatte sie noch nie zuvor gesehen, und ihn durchfuhr der Gedanke, dass sie vermutlich die Auftragsmörder waren – verharrten und wandten sich erwartungsvoll dem Mann im Fahrstuhl zu, der ihnen gebieterisch zurief: »Hierher! Alle drei! Schnell, verdammt!«
Unverzüglich sprangen die drei Neger in die Fahrstuhlkabine, das beleuchtete Rechteck verschwand, als die Tür sich schloss, und John stand wieder allein auf dem Absatz. Matt ließ er sich auf eine elfenbeinerne Stufe sinken.
Offenbar war etwas Bedeutsames geschehen, etwas, das ihm und seinem eigenen kleinen Verderben wenigstens vorerst einen kleinen Aufschub gewährte. Aber was? Hatten sich die Neger in einer Revolte erhoben? War es den Fliegern gelungen, die eisernen Gitterstäbe aufzubrechen? Oder waren die Männer von Fish blindlings durch die Berge gestolpert und starrten nun mit leeren, freudlosen Augen auf das prachtvolle Tal? John
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